|
BROT
UND
ROSEN
Anlässlich der 9.
Arbeiterfestspiele im Bezirk Dresden und der X. Ostseewoche in Rostock erlebt
der DEFA-Film "Brot und Rosen" mehrere Aufführungen. Der allgemeine Einsatz in
den Lichtspieltheatern erfolgt ab 28. September.
Der Film wurde als Beitrag der Deutschen Demokratischen Republik für das
Internationale Filmfestival 1967 in Moskau nominiert.
Grau ist die Landschaft, grau wie das Gesicht des Mannes, der den
Kohlenzug verläßt. Dieser Mann in zerrissenen Kleidern, das blecherne
Kochgeschirr als wichtigstes Requisit am Leibe, der Mensch, dessen ganzer
Besitz ein löchriger Kohlesack ist, er spürte es damals nicht, daß er am
Anfang seines Weges, am Beginn des Lebens steht. Ist es nicht vielmehr das
Ende, das sich in seinem schmalen Gesicht abzeichnet; verrät das
schwergeprüfte Antlitz des knapp Zwanzigjährigen nicht die Spuren
fürchterlicher Erlebnisse der letzten Kriegsjahre? Georg London ist ein
Heimkehrer, wie es damals viele Hunderttausende gab. Ohne Anhang, ohne Bleibe.
Ein Problem, eine Frage bewegen ihn vorerst: Wo ist ein Topf Kartoffeln für
mich gekocht, wo finde ich die nächste Mahlzeit, die das schäbige Glück jener
grauen Tage markiert? Das Dorf aber, in dessen Nähe er zufällig seinen Zug
verläßt, dieses Dorf, von Nebelschwaden umhüllt, erlebt gerade seinen Tag -
die Stunde, die den Atem der neuen Zeit in die geduckten Katen trägt. Ein
Stechzirkel stelzt über die Acker, die bis zur Stunde Null dem Baron gehörten.
Der Boden wird an Bauern und Umsiedler aufgeteilt. Der fahle Blick des Georg
Lendau nimmt den Vorgang auf, aber er kann das Gesehene noch nicht
verarbeiten. Vielleicht bietet ihm das Dorf etwas Brot für einen Abend, einen
Strohsack für die Nacht?
Der neu eingesetzte Bürgermeister Paul Kallam erkennt den Notleidenden, der
die helfende Hand braucht. Der Kommunist Kallam, kein gefühlsreicher
Schwärmer, ein Mann, durch Klassenkämpfe und Prüfungen in Konzentrationslagern
gestählt, er, der wortkarge Genosse, dem in dieser Stunde das Wohl und Wehe
dieser dörflichen Gemeinde anvertraut ist – gibt das Brot, als an Rosen
niemand zu denken wogt. Mehr noch, er macht ein Versprechen, das sofort
einzuhalten nicht möglich ist. Wie wohl wird sein Wechsel auf die Zukunft
einst eingelöst werden? Der folgenden Verwicklungen sind viele, und manchem
jüngeren Zuschauer, der das heute sieht, es vielleicht für "filmische
Unwahrscheinlichteit" hält, sei versichert: Das Unwahrscheinlichste war das
damals Übliche. Aber ist das nicht häufig auch heute noch so?
Auf seiner Odyssee, die Georg erneut beginnt, trifft er wiederum auf Paul
Kallam. ln einer großen, kriegszerstörten Stadt, in einem Metallbetrieb sehen
sie sich wieder. Im engen, schmucklosen Arbeitszimmer des Kaderleiters Kallam
beginnt das Ringen des Kommunisten um den Parteilosen. die Geburt eines neuen
Menschen. Noch immer bestimmen Passivität, Bequemlichkeit, der Drang, sich
einigermaßen satt zu essen, sich mäßig zu kleiden, Georgs Denken. Nur langsam
dämmert ihm einiges. Genosse Kallam erweist sich als ein zäher, hilfreicher
Freund, der die glatte Rede nicht liebt, dem es auf eine klärende
Auseinandersetzung mehr oder weniger nicht ankommt.
In Georgs Dasein findet sich das Sehnen nach Liebe ein. Im Anfang ist es wohl
nur das, was er als unerfahrener Mensch dafür hält. Seine Vermieterin Helene
Seydlitz kann ihm die wahre Heimstatt nicht bieten. Aber die Trägheit des
Georg Lendau währt nicht ewig. Da trifft er nicht nun Jutta, das
liebenswürdige, zarte Mädchen, in dem sich Sinn und Hoffnung der Zukunft
menschlich warm verkörpern. Da ist die Brigade. Keine Heroen, keine ideal
gestalten, Menschen aus Fleisch und Blut, mit Vorurteilen. Irrtümern und
falschen Auffassungen belastet. Georg will zunächst nicht anders sein als
Kallweit und Schlentz, als Blunk und die übrigen. Und doch wird er es. Kallam,
der die Kraft und Zuversicht der Partei vertritt, weiß, wenn Georg wächst,
wachsen mit ihm auch die Kumpel der Brigade. Lendau macht es sich und den
anderen nicht leicht. Die Konflikte lassen sich nicht verwässern oder umgehen.
Für ihn selbst anfangs unmerklich, ergreift die neue Ordnung langsam von ihm
Besitz. Der Beginn des sozialistischen Zeitalters geht um ihn nicht herum; es
stellt ihn unablässig vor neue Prüfungen und gibt ihm ständig packende
Aufgaben.
So erlebt man das konfliktreiche Wachsen einer Persönlichkeit mit,
stellvertretend für die konfliktreiche Entwicklung unserer neuen,
humanistischen Gesellschaft. Das Kollektiv hat sich damit eine gewiß
schwierige Aufgabe gestellt: die Erziehungen des einzelnen zur sich
herausbildenden sozialistischen Menschengemeinschaft, wobei der einzelne
selbst zunehmend zum aktiv und bewußt Handelnden, zum zeitgenössischen Helden
wird künstlerisch zu erschließen. Das Schicksal Georg Lendaus, der seine
Menschwerdung der uneigennützigen, optimistischen, mitunter sehr unbequeme
Hilfe eines Kallam verdankt, spiegelt in vieler Hinsicht das Schicksal seiner
Generation wider: Hier Dreher Lendau, dort der Lehrer Ernst Machmann. "Die
besten Jahre". ähnlich wie einst Werner.
Morgens, in der Straßenbahn, im Autobus, auf dem Weg zur Arbeit oder auch am
Zeitungskiosk - da begegnet dir dieser Zeitgenosse. Du weißt nicht, wie er
oder wie die schlanke freundliche Frau an seiner Seite heißt. Wenn man diese
Menschen ansieht, fällt einem meist nichts Besonderes auf. Sie sind - und das
ist nicht abwertend zu verstehen - "durchschnittliche" Mitbürger. Doch ist es
im Grunde genommen auch ein Abschnitt deines Lebens, was sich hinter der
Lebensbeichte jenes Georg Lendau verbirgt Es ist ein Kapitel unseres
alltäglichen Schicksals, das im Bericht dieses Mannes vom Jahrgang 1927 - den
Gerhard Bengsch in seinem Drehbuch festhielt - höchst lebendig wird.
Realistisch und poetisch - so bietet sich die Rückschau auf den in vielem
typischen Werdegang eines Schrittmachers unserer Zeit. Realistik und Poesie
verspricht auch der Titel dieses DEFA-Films.
Artikel
________________________________
|
|
Vor 50 Jahren, im Sommer 1961, wurde die Berliner Mauer errichtet
-
Im Sommer 61- Dokumentation einer Liebe zur Zeit des Mauerbaus
-
Musikprogramm Berliner Rundfunk -
13.-19. August 1961
-
Liedertexte aus jener Zeit
-
Wolf-Biermann-Lieder Anfang der Sechziger Jahre
-
Freie Welt - Nr. 21, 1957
-
Der Mann des Schicksals, 1967
-
Zeit im Bild, 1964
-
Mutti hat Premiere, 1958
-
Filmspiegel, 1957
-
Neue Berliner Illustrierte, 1957
-
"Astronomisches--!",
1957
-
Eva als Ost-Mannequin, 1957
-
"Die Kraniche ziehen",
1958
-
"Feinde" im Maxim-Gorki-Theater, 1959
-
Unsere
Filmsterne, Verlag Junge
Welt, 1962
-
Freie Welt -Â Nr. 23,
1967
-
DEFA-Sternstunden,
1976
-
FILMSPIEGEL -Â Nr. 12,
1967
-
Aus der Welt des Films
Der Zufall schickt die Witwe Krell mit ihrer Tochter in die Wohnung, in der Georg Lendau ein möbliertes Zimmer bewohnt (Carola Brautbock und Eva-Maria Hagen).
Rechts im Bild : Regisseur Heinz Thiel
|