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Ausschnitte aus dem Buch
"Eva und der Wolf"
 1966 Berlin-Dessau

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Samstag, 14. Juni 2008 19:30 Uhr, Anhaltisches Theater Dessau

  "Die Rückkehr der Eliza Doolittle"

Musikalischer Gesprächsabend mit Eva-Maria Hagen und Paul Werner Wagner

Am Piano: Siegfried Gerlich

Veranstalter: Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt

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Rezensionen:

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Diva der Natürlichkeit mit neuartiger Premiere

Ausschnitt aus dem Artikel Von MELCHIOR FRANK

Mitteldeutsche Zeitung - Dessau/MZ/03.10.1998

Stets ließ dieser Moment das Publikum für Sekunden den Atem anhalten, oft gab es Szenenapplaus: Eine attraktive Frau in weißer Abendrobe schreitet eine Treppe hinab. Eben war sie noch so „schauerlich schmutzig", sprach einen „hundsordinären" Dialekt. Nun wird sie für ihren Sprachprofessor Henry Higgins eine Wette gewinnen: Eliza Doolittle, zuvor blumenverkaufende Rinnsteinpflanze aus einem Londoner Vorort ist auf dem Weg zum Königspalast, um die feine Gesellschaft im Sturm zu nehmen.
Mit einem aufregenden Dekollete, vor allem aber mit in Rekordzeit eingetrichterten guten Manieren und gepflegter Artikulation.

Einen Rekord stellte auch Peter Bejachs Inszenierung des Musicalklassikers „My Fair Lady" in der Dessauer Theatergeschichte auf: Elf Spielzeiten hindurch hob sich der Vorhang für die musikalische Version von Shaws „ Pygmalion" insgesamt 163mal, und in über 150 Vorstellungen war es Eva-Maria Hagen, die - vor meist ausverkauften Haus - ihrem jeweiligen Bühnenpartner nach knapp drei Stunden die Pantoffeln an den Kopf warf.

Der Grund dafür, dass die „BB der DDR" Mitte der Sechziger von den Bonzen in die Theaterprovinz (Dessau war noch das kleinere Übel für einen gerade in Berlin etablierten Film- und Fernsehstar) beordert wurde, ist bekannt. Sie liebte Wolf Biermann, den rebellischen Poeten mit der Gitarre, und hielt trotz des physischen wie psychischen Terrors der Staatsmacht fest zu ihm. Auch noch, als die Beziehung Anfang der siebziger Jahre zu einer innigen Freundschaft wurde. 
Und bald nach Biermanns Rausschmiss im November 1976 stellte auch sie den Ausreiseantrag. 

Mit Sondergenehmigung durfte sie am 16. Dezember 1976 letztmalig die auf der Rennbahn von Ascot versammelte Aristokratie mit herben Rückfällen in den Gassenjargon schocken. Der demonstrative Schlussbeifall des Dessauer Publikums währte fast zwanzig Minuten. In der Theaterkantine flossen danach die Tränen. Ein Jubelfinale war der ersten und längsten Episode Dessau - in zehn Jahren wirkte sie auch in den Produktionen "Can- Can" und das Fräulein wird Minister" mit - im Künstlerleben der Eva-Maria Hagen nicht vergönnt. 
Erst im März 1990 stand sie wieder auf dieser Bühne, bewies in einem Chansonprogramm, dass sie auch in den vergangenen vierzehn Jahren „die aus dem Osten" geblieben war. Eine Zeit, in denen sie, sich eher leisen Tönen widmend, in Sachen Popularität von der sich zur schrillen Pop-Diva mausernden Tochter überholt wurde. Auch Freund Biermann war häufiger in den Schlagzeilen, blieb er doch eine hörbare Stimme im Chor deutsch-deutscher Befindlichkeiten. Im letzen Frühjahr meldete sich Eva-Maria Hagen allerdings weithin vernehmbar. 

Auf der Leipziger Buchmesse hatte ihr Buch "Eva und der Wolf" Premiere, dessen Hauptinhalt der rege Briefwechsel des einstigen Liebespaares ist. Mit ergänzenden Stasiprotokollen, die wahlweise Betroffenheit oder Heiterkeit hervorrufen, Liedtexten und Fotos erlauben die 543 Seiten authentische Einblicke in das Intellektuellenmilieu der DDR und verfolgen detailliert den selten ruhenden Puls einer außergewöhnlich heißen Liebe im Kraftfeld des kalten Krieges. Besonders aufschlussreich sind hierbei natürlich Evas Zeilen aus den Tagen, in denen die Geliebte des erklärten Staatsfeindes auf internen Feten der Regierung als kulturelles Bonbon gereicht wurde....
Diese Frau mit der schier unerschöpflichen Lebenslust hat etwas zu erzählen. Vor allem, was den aufrechten Gang angeht. So wurde es auch ein Defilee der ausgiebigen Art, als Eva-Maria Hagen die frisch erworbenen Exemplare ihres Buches signierte. Sie genoss es in der ihr eigenen Natürlichkeit, die ihr die dauernde Verehrung ihrer Fans garantiert.

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Wir sprachen mit Eva-Maria Hagen, 1971

Zwischen zwei Tanzproben

Mittwochvormittag im Landestheater: "Ist Eva-Maria  Hagen im Haus?"
„Moment mal , ... habt ihr Evchen gesehen?"

Und die Frage pflanzt sich wie ein Lauffeuer fort durch den Riesenbau, und in diesem so selbstverständlich hingesprochenen „Evchen" liegt Vertrautheit und Kollegialität, aber auch Anerkennung und Hochachtung.

Nein, sie ist noch nicht im Hause, sie ist gestern abend nach Berlin gefahren, aber sie wird es noch bis zur Tanzprobe schaffen, denn irgendwie schafft sie es immer.

Da eilt sie auch schon durch den Gang zur Bühne, packt die Tasche auf einen Stuhl, und schon ist sie inmitten der turbulenten Tanzprobe des Balletts, die bereits begonnen hat. Und Eva-Maria Hagen ist von diesem Augenblick an ganz die Pistache aus dem Finale des „Can-can", die mit Charme, Witz und Courage ihren Sieg über alle verschrobenen Moralbegriffe erkämpft hat.

Minuten später, in der nüchternen Atmosphäre ihrer Garderobe, ist sie wieder Eva-Maria Hagen, die schlichte, unkomplizierte Frau, die nicht viel drumherumredet, die große Künstlerin, die das Dessauer Theaterkollektiv liebevoll „Evchen" nennt. Und man spürt, daß es stimmt, wenn sie sagen, sie  ist  ein  feiner Kerl.

„Was hat Sie bewogen, Frau Hagen, nach der Eliza Doolittle in „My Fair Lady" die Gastrolle als La Móme Pistache, in "Can-Can" zu nehmen?"

„Das mit dem Gast lassen Sie mal lieber aus dem Spiel. Ich fühle mich in diesem Kollektiv wie zu Hause, das Publikum ist begeisterungsfähig wie es im Buche steht, und der Intendant drängt auf unbedingte künstlerische Qualität. Auch das ist ein Grund, meine Dessauer Brücken vorläufig nicht abzubrechen."

„Und die Pistache hat Sie nicht gereizt?"

„Doch …, sehr! Das ist mal ganz etwas anderes als die Eliza. Eine reife Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht, nichts wurde ihr geschenkt, und sie ließ sich auch nichts schenken. Was sie einmal hat, gibt sie nicht wieder weg, Sie kämpft um ihr Glück, setzt dabei ihren ganzen Charme ein und siegt letzten Endes durch die Liebe."

„Aber von der gesanglichen Seite her unterscheidet sich die Rolle der Pistache doch wesentlich von der Eliza Doolittle?!"

„Ja, aber das kommt mir sehr entgegen. Ich habe Chansonausbildung, und Sprechstimme ist bei dieser Rolle unbedingt von Vorteil. Das Persönliche bleibt stärker erhalten. Allerdings kostet es sehr viel Kraft, den Riesenraum der ,Wagnerbühne' zu überbrücken."

„Und was meinen Sie zum Stück überhaupt, wie wird ,Can-Can' ankommen?"

„Ich kann mir vorstellen, daß es ein Riesenspaß wird."

„Na, dann, toi, toi, toi. Eva-Maria Hagen - und vielen Dank für das kleine Gespräch zwischen zwei Proben."

E. St.

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My fair Lady

EVA-MARIA HAGEN  

(FILMSPIEGEL 1966)

 

Mehr als 2000 Jahre alt ist der Bericht, den uns Ovid, der altrömische Dichter und Historiker, schenkte: Die Sage von dem antiken Bild-hauer Pygmalion, der aus Scheu vor den Fehlern des weiblichen Geschlechts ehelos auf Kypros ein einsames Leben führte. Doch schuf er sich aus Marmor eine Frauenstatue und verliebte sich in sein Standbild derart, daß er die Göttin Aphrodite bat, sie möchte ihm ein ähnliches Weib geben. Die Göttin der Schönheit und der Liebe erhörte seine Bitte, und als Pygmalion die marmorne Schöne küßte, erwachte die Statue zum Leben.

 So lesen wir's in den „Metamorphosen" des Ovid, und viele Wandlungen erlebte die Sage bis hin zur Operette Franz von Suppés "Die schöne Galathee". Vor mehr als einem halben Jahrhundert schrieb G.B.Shaw seine Komödie &Mac179;Pygmalion"; die Geschichte des knurrigen Junggesellen und Sprachforschers Higgins, der das Londoner Blumenmädchen Eliza Doolittle durch eiserne Sprachstudien und ein hartes Training von Umgangsformen in kurzer Zeit dahin bringt, sich als Herzogin vor der vornehmen Londoner Welt ausgeben zu können. Seit zehn Jahren reist Eliza Doolittle um die Welt, singend und tanzend, als Tochter einer internationalen Familie. Die literarische Grundlage des irischen Dichters Shaw wurde von dem Amerikaner Alan Jay Lerner zu einem Textbuch für den in Wien geborenen Komponisten Frederick Loewe geformt. So entstand das Musical "My Fair Lady", und der zündenden Musik voller Melodik und Rhythmus kann sich kaum ein Ohr verschließen. 

EVA-MARIA HAGEN... liebt die Eliza aus Shaws "Pygmalion" seit ihrer Schauspielschulzeit. "Dieses Londoner Mädchen ist nicht nur eine kleine 'Königin der Gosse'. Für mich vereinigt sie sehr viele Charakterzüge; zum Beispiel entdeckte ich Clownhaftes. Mir gefällt besonders, daß sie keine bürgerliche Pute ist, daß sie mit Feuereifer lernen will, und daß sie später, als sie sich auf dem glatten Parkett der sogenannten feinen Gesellschaft bewegen muß, im Grunde genommen noch derselbe geradlinige Typ ist – das Blumenmädchen von der St. Pauls-Cathedrale. Natürlich hatte ich ganz besonderen Spaß an der gesanglichen Aufgabe. Seit vielen Jahren singe ich zur Laute, und nur selten habe ich mit solcher Begeisterung – in allerkürzester Frist – eine Rolle einstudiert. Es ist jetzt drei Jahre her, daß ich im Berliner Maxim-Gorki-Theater auf der Bühne stand. Sie verstehen sicher, daß ich der Dessauer Premiere mit großem Lampenfieber entgegensah." 

 Der Premieren-Beifall ist verrauscht. Die Dessauer waren wie die Dresdner und die Berliner zu stürmischem Beifall aufgelegt. FILMSPIEGEL als Kulissengast darf ohne Schmus vermelden: Niemals zuvor gefiel Eva-Maria Hagen so gut wie in den drei Stunden als Eliza Doolittle. Wie sie frech und krötig die feinen Herren ankeift, wie sie eckig und scheinbar ungelehrig in Professor Higgins Studio den Jargon der Straße nicht abzulegen vermag, wie sie dann unbeschwert den Erfolg aus sich heraus singt und tanzt — das werden die Zuschauer noch lange in Erinnerung behalten. Absoluter Höhepunkt in ihrer Leistung ist der feurige Tanz der Habanera, den sie ihrem disziplinierten Lehrer Higgins — von Gerry Wolff elegant und gelassen gegeben — verdankt. Genauso überzeugend singt sie wenig später haßsprühend und echt weiblich den „Rachesong": „Wart's nur ab, Henry Higgnis, wart's nur ab! Deine Tränen werden fließen, nicht zu knapp!..."

 

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Eva-Maria Hagen als Eliza Doolittle. 1966-1976, Dessau

 

 

 

 

 

 


Foto: Biggi Quak

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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