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Im Theater |
Eva-Maria Hagen zählte zu den beliebtesten Film- und Theaterschauspielerinnen in der DDR. Wegen ihres mutigen Eintretens für ihren Freund, den Dichter Wolf Biermann, wurden ihre Arbeitsmöglichkeiten stark eingeschränkt und sie erhielt Auftrittsverbote für Film, Fernsehen und Theater. Das Landestheater Dessau unterlief jedoch diese Anordnungen und besetzte mit ihr die Hauptrolle, Eliza Doolittle, in „My Fair Lady“. Eva-Maria Hagen feierte damit von 1966 bis 1976 triumphale Erfolge. Besucher aus der ganzen DDR strömten nach Dessau, um sie in dieser grandiosen Inszenierung zu erleben. In Dessau spielte, sang und tanzte sie außerdem mit großem Erfolg in “Can Can" und spielte die Titelrolle im Musical „Das Fräulein wird Minister".
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Von Wolf Biermann und Eva-Maria Hagen im Buch "Eva und der Wolf"1966
Berlin, 27.09.1966
Mein Lieb ...
Denk dran, Eliza: herrliche Königin der Gosse –
Clown – Salon-Königin mit Pfeffer im Arsch.
Sei leicht, frech, unausweichlich.
Ich hab Dich lieb – Kuss Kuss Kuss Kuss. Wolf
September 1966
Ich denke viel an Dich, summe Deine
Fair-Lady-Melodien vor mich hin und freue mich auf
Deine Premiere. O, dieses Theatermachen hat mich
wieder ergriffen, es juckte mich furchtbar, am
liebsten hätt ich die Probe Freitag an mich
genommen, vielleicht sollte ich doch mal wieder
inszenieren: mit Dir die 3-Groschen-Oper oder was.
Du, schmeiß Dich frech und leicht in die Eliza, Du
singst wunderbar, laß Dich nicht – aus Angst, in dem
großen Theater nicht gehört zu werden, gegen das
Orchester – laß Dich nicht dazu hinreißen, zu
schreien – lieber soll dann das Orchester leise
spielen. Nur schlechte Musiker können nicht leise
spielen. Du, gleich geht die Post weg. Ich will
lieber rennen. Kuss Kuss Kuss, ich bin glücklich
über Dich und sehne mich nach Dir. – Böttcher & ich
haben in der eiskalten Ostsee gebadet, es war
befreiend, herrlich, Kuss – Wolf
Berlin, 01.10.1966
Meine Zarte, das geht auf die Knochen da im Theater,
das ist wenig einträglich und ruhmarm, aber es hat
für Dich große Bedeutung und Du akkumulierst mehr
Substanz als Schauspielerin da auf der Bühne als
beim dummen Filmen. Die asthmatische Arbeitsweise
beim Film verstümmelt das Talent, besonders wenn es
so schlechte Regisseure, so feige Chefs und so
reaktionäre Filmbonzen sind, die darüber wachen, daß
man ja nicht bis zur Wahrheit und zur Kunst
vordringt. Daß jetzt der harmlose Film von B.
liquidiert wird ist eine Bestätigung mehr für etwas,
was keiner Bestätigung mehr bedarf: die
gegenwärtigen Herrschaften werden keinen Meter Film
mehr genehmigen, der ihren bornierten Interessen
nicht nützt. Vielleicht wirst Du doch noch,
vielleicht gerade weil Du jetzt mit mir in Ungnade
gefallen bist, eine große Schauspielerin. Wenn man
nicht mehr kriechen kann, lernt man vielleicht das
Fliegen. Flügel hast Du doch. Deine irre Stimme ist
schon einer. Ähnliches gilt für mich. Da ich nicht
mehr singen kann, bin ich vielleicht gezwungen, ein
Dichter zu werden, da ich vielleicht erst in 20
Jahren veröffentlichen kann, muß ich so schreiben,
daß es sich in 20 Jahren noch lohnt. So wird unser
Fall ein Aufschwung, unsere Fesseln werden Flügel,
wir vermeinen zu sterben und fangen an zu leben. Und
daß wir beide da in ähnlicher Lage sind, ist
vielleicht gut für unsere Liebe und unsere Liebe
wird uns mit hochreißen aus den Sümpfen dieser
Misere hier. So auch die Juden: immer wieder
verfolgt, beraubt, getötet, haben sie sich das Leben
erobert wie keiner sonst, und all unsere Niederlagen
ziehen uns aufwärts. Ich umarme Dich mit all meiner
Kraft und mit all meiner Schwäche – Wolf
Dessau, 03.10.1966
(...) Ich bin glücklich bei der Arbeit. Eliza ist
die Rolle meines Lebens. Ich werde mich durch nichts
abbringen oder aufhalten lassen, sie zu spielen. Am
17. Oktober!
Mittwochabend ist Probe auf der großen Bühne. Ich
hoffe, Du kommst früh genug. Donnerstag will ich
noch eine Probe machen mit dem Assistenten von
Bejach, mittags mit Dir nach Rostock, 19.30 beginnt
die Chose. Freitag früh wieder her, Nachmittag-Probe
mit Gerry Wolff. Sonntag bleib ich hier. Offiziell
ist keine Probe, der andere Higgins muß sich opfern,
der Regisseur sowieso.
Dessau,
08.10.1966
Heut war die Probe um Längen besser. ›Sehr
ergiebig‹, sagte Bejach, ›Steigerung von 300%!‹ Und
daß es fähigere Regisseure gibt als ihn. Das find
ich erstaunlich ehrlich und daß er Dich ohne
Angstschweiß und Krampf hat machen lassen. Du hast
mir in den zwei Stunden so viel Einleuchtendes zur
Figur gesagt, auch was die Entwicklung anbelangt,
Brüche, Haltungen. Dazu brauchen andere Wochen. Ich
liebe die Eliza, werde sie mir mit Wonne und Eifer
einverleiben. Mann, Du könntest ein Klasse-Regisseur
sein, überzeugender Löwenbändiger, Spielleiter mit
Format, wie Molière, Brecht, ein Großmeister des
Fachs; wenn Du Dir ’n Schubs gäbst, die Enttäuschung
mit dem BAT über Bord wirfst, in’ Wind schreibst,
produktiv verarbeitest. Wäre das nich wundascheen!
Und eine nicht unbedingt aussichtslose Kiste,
praktisch gesehen. Wenn Du nicht gleich auf’n Putz
haust, erstmal drin bist im Betrieb, was Klassisches
auf die (sozialistischen) Beine stellst, von den
Alten aus Griechenland beispielsweise, die hatten
ganz schöne Dinger drauf, frech, sinnlich,
politisch. Das waren Schicksale! Dieser Klumpfuß,
der mit seiner Mutter was hatte, nichts ahnte von
der Blutschande, Ödipus – von dem der gleichnamige
Komplex stammt. Oder Lysistrata von heute. Wie wärs,
wenn die Fließbandfrauen den ausgemergelten Machern
in der Macht-Metropole bißchen einheizen würden; es
sieht nach außen friedlich aus im Dorf, der Gemeinde
DDR, aber was sich in den eignen vier Wänden
abspielt nach Feierabend, welche Kriegslisten die
Haudegen anwenden gegenüber ihren weiblichen
Leibeigenen, um sie abzuspeisen mit’n Appel und ’n
Ei; davon könnte manche ein Lied singen. Aber
hauptsächlich ich – stellvertretend für die noch
schweigende Mehrheit! Und zwar in einem
Biermann-Musical mit dem Titel: ›Die Amazonen
kommen‹ – mit 100 PS etwa, dem Skoda-Sport. Mal bin
ich Eva, dann ihre Schwestern ...
Berlin, Oktober 1966
Meine wunderbare Liebe! Das muß heute ein ganz
großer Theaterabend werden, so gewaltig und heiter
wie unsere Umarmungen ... Wolf
– Meine Zarte! Laß Dich durch keine Widrigkeiten
entmutigen –
sollten sie während der Vorstellung auftreten. Du
bist die Königin –
und Deinetwegen wurde überhaupt das Landestheater
Dessau erbaut.
Dein Parteiauftrag: Weltniveau – gez. Wolf Biermann
Brief von Eva-Maria Hagen, Dessau, 13./14. April
71
Wolflieb. Ich rief nicht an, weil abends Probe war.
Anschließend hat ein ›Minister‹ schöne alte
Landsknechtlieder zur Laute gesungen ... Jetzt
räkelt dein Rumpelchen sich zwischen Beyreuters
Kissen, träumt von einer auf der ganzen Welt nur
einmaligen Hopfenblüte.
Nachmittags hatte ich eins vom ›Fräulein‹ ihren
Ministerkleidern an. Die Kostüme sind ›Spitze‹,
kostbar wie Originale; alles vom Feinsten:
Seidenbrokat, Stoffmalerei, Handarbeit; die
Werkstatt hier ist einzig in ihrer Zunft. Und mein
Bühnenbildner kleidet mich ein, auch drunter, wie
zum Hochzeitsumzug (seinem eigenen), macht eine
Kunstfigur aus mir, Rokoko-Kokotte, verzauberte
Puppe, der ich mein überquellendes Leben
einzuhauchen hab, d. h. Clairon, der grandiosen
Schauspielerin von der Comédie Française, welche mit
den Aufklärern, Dichtern und Denkern wie Voltaire,
Diderot, Jean-Jacques Rosseau, Biermann und Havemann,
engen geistigen und andersgearteten Kontakt hatte;
die letztgenannten treten erst später in Erscheinung
und üben Einfluß auf die gegenwärtige Darstellerin
aus, so daß auch diese aufmüpfiger wird wie ihre
Vorgängerin, ebenfalls in die Provinz verschlagen,
ins Grenzgebiet von Sachsenland (nach Dessau), statt
ins Fürstentum, dem kleinen Piß-Staat Mecklenburg,
wo die damalige ›Wirklichkeit‹ stattfindet – was
keinen Unterschied ausmacht, denn es wimmelt hier
wie dort, damals wie heut, von ›kleinen Fürsten mit
großen Fressen‹. Aber was ich erzählen wollt: Vorm
Kunsttempel, auf einladender Gänseblümchenwiese,
haben wir Posen geknipst für Werbezwecke.
Straßenbahnen quietschten im Hintergrund, Passanten
mit langen Hälsen wollten mit aufs Bild ...
Sommer 71
Lieber Mann!
Der Zug schaukelt durch Felder und Auen. Bald
beginnt unser Urlaub in Lütow. Ich freue mich auf
den Gluckskahn, sitze umhüllt, bin gezeichnet von
Blautönen. Im Stoff sind sie vorherrschend und
darunter, auf der blanken Haut, als wären
Tintenfässer auf mir ausgekippt worden; doch es sind
›nur‹ die Folgen des Fahrradsturzes von Vorgestern:
dunkles Violett bis zum sanften Pastell. Jawohl,
Mister Brutalinski, bleichgesichtiger Unschuldsengel
Du!
Der VIII. Parteitag ist im vollen Gange. Städte und
Dörfer sind geschmückt mit Emblemen des Sozialismus.
Seit zwei Wochen besteht ein Verbot für das Ankleben
von jeglicher ablenkenden Werbung – im
Staats-Interesse. Die Regierung hat das Monopol.
Für ›Hoftheater‹ liegen die Plakate noch acht Wochen nach der Premiere im Lager. Ein Freund, Drucker, Freizeit-Fotograf, erzählte, dass Untersuchungen stattfanden in seinem Kleinbetrieb und den umliegenden, weil ... Irgendwelche illegalen Zettel hatten Anstoß erregt. Jeder musste auf einer bestimmten Sorte Papier Schriftzeichen malen, in Handschrift und Druckbuchstaben. Keiner wurde identifiziert‹. Und nur Sitzungen in den Betrieben,
Auswertungen.
Die Vorstellung gestern wurde besucht von der Kreisleitung. Regisseur Werner Müller bat mich händeringend, das Lied ›Noch schlimmer als die Großen sind die ...‹ mit keinem Blick ins Publikum zu singen, immer nur auf den Kleinen Hinterwäldler von 1769 auf der Hinterbühne. Unsere Provinzfürsten sind dermaßen aufgescheucht, dass sie, wenn es wo knistert, blitzt, kracht letzteres tat es mächtig in der letzten Vorstellung vor Schiss in die Hose machen, als fürchteten sie, eine Bombe könnte hochgehen unter ihrem Sitz. Gleich springen die Türen aus’n Angeln, der Mob stürmt rein und singt: Ah ça ira! Ça ira! Die Despoten an die Laterne ...
Ich möcht mit Dir nach Prag Ende des Monats, hörte, dass dort eine internationale Ausstellung von Bühnenbildern ist. Den 1. Preis bekam die DDR: das soll zehn Tage vor der Eröffnung festgestanden haben. Es gab Proteste. Buchbinder, Drucker stellten die Arbeit ein. Resultat: Unvollkommene Prospekte. Man ist über die skandalösen Zugeständnisse der CSR-Regierung gegenüber der DDR empört. Andrerseits ist das Bühnenbild von Biermann’s ›Großer Drachentöter-Schau‹ zu besichtigen! Du, wir wollen hin! Man braucht keine Einladung. Paar Tage vor Antritt der Reise soll man zur Polizei gehen und sich den Stempel geben lassen. Wo Du neulich sogar nach Moskau durftest.
Mein Kopf schmerzt, das Handgelenk; hab eine
Wiedergutmachung verdient. Ich denk an Garance im
Gefängnis, an die Geschichte, welche sich draus
entwickeln ließe. Dann käme mein Zug endlich runter
vom Abstellgleis, Rangiermeister Karl. Gern nähme
ich dafür noch paar ›Asphaltstürze‹ in Kauf. Die
linke Hand streichelt den Wolf von Eva.
Mein Intendant, der Saubeutel, sagte im Dialekt des
Sachsenkönigs: Da hat dich aber einer mächtig in der
Mache gehabt!
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Übrigens hast Du den Text
„ L’etat c’et moi“
ganz toll hingekriegt!
Jetzt es ist singbar und inhaltlich einfach besser!
Der Staat, das bin ich – ich bin der Staat !
Ein Mensch! Eine Frau! – und kein Zwangsapparat !
Ein Kopf für Vernunft und Gerechtigkeit
Ein Herz gegen Willkür und Schlechtigkeit
Zwei Hände ohne Bestechlichkeit : I
I c h b i n d e r S t a a t .
Ich hab schon die schönsten Rollen gespielt
Hab vorgeschriebne Gefühle gefühlt
Ich spielte als Kaiserin im Ornat
Und spielte dann in der Kantine Skat
Nun spiel ich nicht mehr
Nun bin ich selbst mal der Staat.
Für Gleichheit und Freiheit und Brüderlichkeit
Ich bau meinen Staat für die bessere Zeit
Ein Staat ohne Stände und Sonderrecht
Ein Staat für ein neues Menschengeschlecht
Ein Staat ohne Adel und ohne Knecht
Ich bin der Staat !
Mein Staat, der ist für die Menschen da
Nicht umgekehrt Leute, wies bisher war !
Ach, solche Rolle war immer mein Traum :
Nicht spieln in Kulissen – die Welt selber baun !
Das ist die schwerste und schönste Rolle
Die Rolle mit wenig Text und viel Tat :
Der Staat – bin ich
I c h b i n d e r S t a a t !
VON DEN GROSSEN UND DEN KLEINEN FÜRSTEN
Die großen Fürsten habe ich gefressen
Hab sie von nah gesehn, gefühlt, gerochen
Sie schmücken sich mit Schlössern und Mätressen
Sind von Lakain umschmeichelt und umkrochen
Das Rückrat ihrer Räte ist gebrochen
Die Herrn sind bis zum Hirn voll mit Pasteten
Selbst wenn sie scheißen gehn spielt man Trompeten!
Das sind die großen Fürsten, doch wir meinen
Noch schlimmer als die großen sind die
...
Und Recht ist das was grossen Herren recht ist
Uns Künstler füttern sie mit Pferdewürsten
Sie setzen fest, was jeweils gut und schlecht ist
Selbstherrlich herrschen alle großen Fürsten
Und ihren Knechten, die nach Freiheit dürsten
Verpassen diese allerhöchsten Herren
Statt Freiheit Ketten, die am Knochen zerren
Das sind die großen Fürsten, doch wir meinen
Noch mieser er als die großen sind die
...
Die kleingeratnen Herrn, ach wär’n die bloß
Entsprechend kleiner auch beim Leuteschinden
Entsprechend in der Willkür nicht so groß
Und würden die Gesetze sie mehr binden
Ach, würden sie auch klein’re Worte finden
Womit sie uns beschimpfen und belügen
Und würden sie uns weniger betrügen
Doch nein! Die Art wie sie uns auf die Knie
stoßen
Da sind die Kleinen größer als
die ...
(‘Geschrieben für Eva-Maria Hagen, als sie in einem
Stück spielte, das in der Zeit der Aufklärung
spielt. Und da dies Lied nicht von mir sein durfte,
logen wir, es sei grad entdeckt worden im Nachlaß
von Pierre-Jean de Béranger’
- Anmerkung von W. B. in seinem Buch ‘Alle Lieder’)
Stasiberichte
XX/2548 – Quelle: GM ›Hans Lamprecht‹ – erh.: Hptm.
Dahl – 06.10.1966
Bericht über meinen Besuch bei B i e r m a n n in
der Wohnung von H a g e n (...)
Ich traf Wolf Biermann nicht an, sondern nur seine
Mutter Emma. Emma sagte mir, daß Wolf am 7.10.
abends aus Dessau zurückgekommen sei. Der Grund
seines dortigen Weilens war folgender: Die Eva-Maria
Hagen spielt in der dortigen Inszenierung die
Titelrolle in ›My fair Lady‹ und zwar zusammen mit
Annekathrin Bürger. Die Sache hat folgende
Bewandtnis: die Bürger war zuerst für dieses Stück
engagiert, bekam Schwierigkeiten mit der Stimme. Die
Theaterleitung von Dessau entschloss sich, an die
Hagen heranzutreten, sie zu bitten, die Rolle zu
übernehmen. Biermann ist dort gewesen, um
regietechnisch in diesem Theater zu arbeiten. Ich
weiß nicht, ob er dafür bezahlt worden ist, ich
glaube das kaum. (....)
HA XX/1 Aktenvermerk Berlin, den 18.10.1966
Am 18. 10. 1966 teilte der Leiter der KD Dessau
Unterzeichneten mit, daß zu der am 17. 10. im
Theater Dessau stattgefundenen Premiere Wolf
Biermann mit seiner Mutter anwesend waren. Die
anschließende Premierenfeier besuchten Biermann,
seine Mutter und Eva-Maria Hagen gemeinsam. Sie
hielten sich bis 1.40 Uhr auf wobei festgestellt
wurde, daß eine angeregte Unterhaltung mit 2
Personen geführt wurde die der KD namentlich bekannt
sind. Nach Verlassen der Feier, die bis gegen 2.30
andauerte, begaben sich Biermann, seine Mutter und
Hagen in das Quartier. – Ein schriftlicher Bericht
wird durch die KD übermittelt. (Lohr)
Oltn.
Aus den Stasiakten
1971
Die Hagen ist für das Spieljahr 1971 erneut für ein
neues Theaterstück am Landestheater Dessau
verpflichtet. Die Proben beginnen im Februar 1971,
die Premiere soll am 8. 4. 1971 stattfinden. Während
ihres Aufenthalts wird die Hagen erneut in der
Künsterpension (...) Birkenweg 14 wohnen. Seitens
der KD Dessau stehen zur Überprüfung der Hagen die
GMS „Adolf“ – der in der genannten Pension
untergebracht ist und der IMS „Horst Baumann“,
Angestellter beim Theater, zur Verfügung.
Maßnahmen: Es ist daraufhinzuarbeiten, daß erreicht
wird, mit der Hagen keine weiteren Verträge in
Dessau abzuschließen. Diese Maßnahme ist
realisierbar, da am Dessauer Theater qualifizierte
Kräfte vorhanden sind, die die Aufgaben der Hagen
übernehmen können. Durch den IM „Horst Baumann“ und
andere Möglichkeiten ist zu überprüfen, ob die Hagen
ihr Fahrzeug von und zum Theater evtl. in
angetrunkenem Zustand fährt. Es ist zu prüfen,
inwieweit über die IMS „Horst Naumann“ die
Möglichkeit besteht, die Hagen mit einem Kreis von
Personen in Verbindung zu bringen, die mit Hilfe von
Morphium sich in rauschähnlichen Zustand versetzen
bzw. es ist dabei zu prüfen, ob die Hagen an
Rauschgift interessiert ist. Die inoffizielle
Verbindung und offizielle Möglichkeiten sind
dahingehend zu instruieren festzustellen, ob die
Hagen während ihres Aufenthaltes Bücher von Biermann
und Havemann verbreitet bzw. Lieder des Biermann
vorträgt. – Bei Feststellen solcher Vorkommnisse ist
die Hauptabteilung XX sofort zu informieren. Von der
BV Halle wird der IM „Robby-Graf“ eingesetzt. Der IM
ist Fotograf kennt die Hagen von ihren Auftritten am
Steintor-Varitè in Halle. Er besuchte sie bereits in
Berlin, fertigte Künstlerfotos an und erhielt von
ihr im Jahre 1968 die Broschüre „Drahtharfe“. Der
Einsatz des IM muß zum Ziel haben in den
Verbindungskreis der Hagen in Dessau einzudringen,
ihre politische Tätigkeit zu erkunden. – Darüber
hinaus sollten solche Voraussetzungen geschaffen
werden, daß er weitere Verbindungen zu der Hagen in
Berlin halten kann. Zur weiteren operativen
Bearbeitung machen sich darüberhinaus folgende
Maßnahmen notwendig: zur umfassenden Durchsetzung
der vorgeschlagenen politisch-operativen Maßnahmen
und die Einleitung weiterer operativer Maßnahmen
besteht die Notwendigkeit alle ab- und eingehende
Post im In- und Auslandsverkehr des Biemann
Karl-Wolf und der Hagen, Eva-Maria (...) unter
Kontrolle zu halten. In Koordinierung mit der
Hauptabteilung VIII ist eine Kontrolle der
Personenbewegung (...) durch einen
Beobachtungsstützpunkt zu schaffen, der durch die HA
VIII zu besetzen ist. – In Koordinierung mit der
Abteilung 26 ist nach Absprache mit der
Hauptabteilung XX/7 eine Kontrolle aller anlaufenden
Personen zu ermöglichen. Die Personen sind zu
erfassen, zu identifizieren und aufzuklären.
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Brief an Werner Müller,
Regisseur vom Musical HOFTHEATER im Landestheater
Dessau, 07.06.1971
Lieber Werner Müller,
Sie wollten noch einmal die Verfasser der beiden
Lieder*, die wir ins Stück reinnahmen, wissen und wo
die Lieder erschienen sind, auch die Übersetzer.
Da ich Ihnen über alles das schon ausreichende
Informationen gegeben habe, habe ich den Eindruck,
daß gewisse Stellen, die von Ihnen hierüber Auskunft
verlangen und die offenbar vermuten, es handle sich
um Biermann-Lieder, mit einem politischen Skandal
spielen. Ich wiederhole also: Das Villon-Lied ist
von François Villon.
Und da sämtliche Übersetzungen (Paul Zech, K. L.
Ammer, Martin Remanée) für den Geschmack und Stil
der Dessauer Aufführung offenbar zu drastisch sind,
hab ich mir erlaubt, mir aus den vorhandenen
Übersetzungen die harmlosesten Zeilen rauszusuchen
und eine Fassung herzustellen, die für mich in
dieser Rolle und an diesem Theater singbar ist.
Ich hatte für diese außerordentlichen Bemühungen
nicht unbedingt eine Beteiligung an den Tantiemen
des Stückes erwartet, aber auf jeden Fall doch eher
Worte der Anerkennung, als inquisitorische Fragen,
die freilich, lieber Kollege Müller, nicht
eigentlich von Ihnen gestellt werden. Zum zweiten
Text: diese Übersetzung fand ich glücklicherweise in
einer Mappe mit Übersetzungen verschiedener alter
französischer Lieder, die mir vor Jahren der
Professor Jean-Pierre Hammer von der
Naterre-Universität (Germanistische Fakultät) aus
Paris mitbrachte. Teilen Sie bitte den Leuten, die
Sie veranlaßt haben, mich danach zu fragen, mit, daß
ich seit Jahren Lieder aus der ganzen Welt sammle
und öffentlich vortrage – und daß ich mir zum Teil
selbst Übersetzungen anfertige, die vielleicht nicht
gerade literarisch vollkommen, dafür aber singbar
sind. Zu diesem Zweck besuchte ich neben meiner
normalen Arbeit Kurse in Schwedisch, Englisch und
Russisch an der Volkshochschule. Sie wissen, daß ich
mich auch bei der dramaturgischen und textlichen
Bearbeitung unseres Stückes tatkräftig eingeschaltet
habe – und zwar all das in enger Zusammenarbeit
sowohl mit den Autoren bzw. Komponisten, als auch
mit Ihnen selbst und der Dramaturgin, Frau
Schneider.
Ich stelle fest, daß ich (für diese, für einen
heutigen Schauspieler richtige, aber in der Praxis
keineswegs übliche Mitarbeit an allen das Stück
betreffenden Fragen) von Seiten des Theaters in
Dessau kein Wort der Anerkennung erhielt ... Sie
sehen, ich schreibe den Brief nicht ohne Erregung,
denn ich hab den Eindruck, daß die Absicht besteht,
diese beiden schönen Lieder, die auch nach Meinung
der Autoren und nach Meinung jener, die an dieser
guten Produktion teilgenommen haben, ausgezeichnet
ins Stück passen, aus der Inszenierung
herauszureißen. Ich würde eine solche Maßnahme nicht
nur bedauern, denn sie stünde in einem skandalösen
Widerspruch zum politisch-moralischen Inhalt des
Stückes von Margit Gaspár ...
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Eva-Maria Hagen als Eliza Doolittle. 1966-1976, Dessau
v
Es grünt so grün...
Eliza mit Papa Doolittle
Eliza bei Professor Higgins (Alfred Woronetzki)
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