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So schön und vertraut wie Kinderlieder
Brecht-Abend mit Eva-Maria Hagen wurde zum außergewöhnlichen Erlebnis
Die Zeit bis zur Pause reichte für Eva-Maria Hagen allemal aus, um ihr Publikum mit Charme und Können zu erobern. Bei ihrer Rückkehr aufs Podium wurde sie schon begeistert willkommen geheißen. Die Schauspielerin und Sängerin - in der DDR ein großer Star - hatte ihr Programm beim Weverinck-Abend im Landesmuseum ganz Bertolt Brecht gewidmet. Unter der Regie des Dichters spielte Eva-Maria Hagen auch 1953 ihre erste Theaterrolle, und sie erwähnte diese persönliche Verbindung mit einem nostalgischen Lächeln, das gleichsam ein Vorzeichen für den ganzen Abend war. Wie ihre Kinderlieder" empfinde sie all die Brecht-Vertonungen.
Und sie interpretierte diese nicht einfach - die Zuhörer konnten eine wahrhafte Liebesarbeit bestaunen.
Es schien fast so, als würden die altvertrauten Texte und Melodien von der Chansonette körperlich Besitz ergreifen. Bei der Ballade vom Weib und den Soldaten" ging sie im Marschrhythmus des Klaviers mit, dann wieder schien sie ein Lied tänzelnd dirigieren zu wollen. Doch all dies wäre nichts gewesen ohne Eva-Maria Hagens schöne und wandlungsfähige Stimme: lerchenhell, romantisch - plötzlich dann mit grimmigem Krächzen in der Kehle. Und ebenso blitzschnell wie die Lagenwechsel veränderten sich auch ihre Posen: von der großen Diva bis hin zur mädchenhaften Unschuld.
Als Schauspielerin zeigte sich Eva-Maria Hagen mit einem Auszug aus Brechts Stück Furcht und Elend des Dritten Reiches". Die berühmten Weill-Songs gab es erst am Ende, die übrigen Lieder stammten aus der Feder von Hanns Eisler, Paul Dessau und Wolf Biermann (mit dem die Sängerin im Osten liiert war). Hier wie dort fanden sich typische Kaschemmen-Romantik und kabarettistische Stacheln. Eva-Maria Hagen brachte aber etwas mit ein, das viele Brecht-Interpretinnen vermissen lassen: Charme. Der Sarkasmus und alle Frivolität bekamen ein Augenzwinkern, wenn sie am Ende leise hauchte: Tja, so ist das. Da hielt es viele applaudierende Zuhörer nicht auf den Bänken. Kein Wunder - einen hochkarätigen Brecht-Abend hört man selten. Und wenn, dann mit jener typischen androgynen Verruchtheit, die heute recht muffig und angestaubt wirkt. Bei Eva-Maria Hagen aber klangen die alten Bekannten so frisch wie am ersten Tag.
Westfälische Nachrichten
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