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Rezensionen Stuttgarter Zeitung
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20.05.08
Faszinierende Spuren jüdischen Lebens
Der Aktionstag der Württembergischen Landesbühne zu „60 Jahre Israel" mit Eva-Maria Hagen ESSLINGEN.
Mit Lesungen, einer Führung, einem Sprachkurs und jiddischen Liedern, gesungen von der großartigen Eva-Maria Hagen, hat die Württembergische
Landesbühne das israelitische Staatsjubiläum gefeiert.
Von Kai Moloch
(...)
Ganz einfach
grandios war dagegen der Auftritt von Eva-Maria Hagen zum Abschluss
des Aktionstags. Extra für diesen Anlass hatte die mittlerweile
73-jährige Schauspielerin und Sängerin, bekanntermaßen Mutter von
Nina und Großmutter von
Cosma Shiva Hagen und - nicht ganz so
bekannt - zeitweilige Stiefmutter von WLB-lntendant
Manuel
Soubeyrand, ein Programm ausschließlich mit jiddischen Liedern
erarbeitet. Einige davon sang sie im Original, die meisten in der
von ihrem ehemaligen Lebensgefährten und lmmer-noch-Freund
Wolf
Biermann nachgedichteten hochdeutschen Version. Mit ihren 21 Liedern
und Songs entfaltete Eva-Maria Hagen ein ebenso buntes wie
faszinierendes Kaleidoskop jiddischen Lebens. Die Melodien sind
voller Sehnsucht, Hoffnung und Melancholie, die Texte erzählen mal
charmant witzig, mal wehmütig, mal kämpferisch von den einfachen
Dingen des Lebens ebenso wie vom Kampf gegen den Faschismus. „Es
brennt, Brüder, es brennt" etwa hat der Möbeltischler
Mordechaj
Gebirtig im Krakauer Ghetto geschrieben, in dem er 1942 von
Wehrmachtssoldaten erschossen wurde.
Eva-Maria Hagen erweist sich dabei als Glücksfall fürs jiddische
Liedgut. Das liegt nicht nur daran, dass sie ohnehin über eine
gewaltige Portion Spannung und eine charismatische Ausstrahlung
verfügt. Sie fühlt sich zudem, je länger der Abend dauert, immer
mehr in die jiddische Welt hinein und nimmt dabei das Publikum
einfach mit. Am Ende hat man den Eindruck, die Hagen würde innerlich
geradezu leuchten. Dass sie gelegentlich dabei so von ihrer eigenen
Begeisterung mitgerissen wird, dass sie den Text verliert, spielt
überhaupt keine Rolle. Diejenigen, die da waren, haben einen
außergewöhnlichen Abend im Schauspielhaus an der Landesbühne erlebt.
Am Nachmittag hatten sich immerhin rund 60 Esslinger zur
Stadtführung „Auf den Spuren jüdischen Lebens" versammelt. Thomas
Schild vom Verein der Freunde jüdischer Kultur führte die Besucher
durch die östliche Altstadt, am ehemaligen jüdischen Ghetto in der
Schmalen Gasse vorbei zum Ebershaldenfriedhof. Thomas Schild:
„Der Ebershaldenfriedhof ist nach meiner
Kenntnis der erste in Europa, in dem es einen im christlichen
integrierten jüdischen Friedhof gibt."
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