Eva-Maria Hagen erinnert sich im Theater an Eliza Doolittle
Am Sonnabend war Eva-Maria Hagen noch
einmal mit Veilchen im Korb die Eliza Doolittle. Die Schauspielerin sang
und erzählte im Dessauer Theater. (MZ-Foto: Lutz Sebastian)
Dessau/MZ. "Wäre det nich wundascheen?" War es doch und ist es
immer noch ein wenig.
Auch, wenn die Eliza von damals inzwischen die Professorenmutter geben
könnte, mimt sie die Knospe aus der Gosse so frisch und frech, als sei
sie niemals umgetopft worden. Mag das Rennpferd Scharfes von hinten
kriegen, Eva-Maria Hagen hat noch immer Pfeffer in der Seele.
"Die Rückkehr der Eliza Doolittle" wurde am Sonnabend in aller
Bescheidenheit auf der Bühne des Anhaltischen Theaters gefeiert.
Am Klavier saß Siegfried Gerlich. Auf dem Sofa saß Paul Werner Wagner.
Nun moderiert der Kulturhistoriker, der als Bühnenarbeiter damals den
Schaukelstuhl an die Rampe stellte. Und wenn die Hagen schaukelte, dann
zitterten im Graben die Musiker.
Am 17. Oktober 1966 war Premiere:
Der Musical-Klassiker "My Fair Lady" in der Inszenierung von Peter
Bejach wurde am Landestheater Dessau insgesamt 163 Mal gegeben.
Ursprünglich alternierend mit Annekathrin Bürger besetzt, stellte sich
Eva-Maria Hagen über 150 Mal der phonetischen Dressur vor meist
ausverkauftem Haus.
Das sei ein Glücksfall gewesen, sagt Hagen.
Film und Fernsehen wurden ihr abgedreht, der Liebe wegen.
Wolf Biermann sei in Dessau gewesen, habe die Proben besucht und auch
ins Geschehen gegriffen.
"Mein Lieb ...Denk dran, Eliza: herrliche Königin der Gosse - Clown -
Salon-Königin mit Pfeffer im Arsch.
Sei leicht, frech, unausweichlich.
Ich hab Dich lieb - Kuss Kuss Kuss Kuss. Wolf", schrieb er ihr und sie
liest aus den Zeilen dieser Liebe mit thematischen Bezug zum
Gesprächsabend.
"Wolfslieb" nannte sie ihn am Anfang anderer Zeilen, als seien die
Briefe schon für die Nachwelt verkehrt.
Damals anders, heute klingen Stasiakten zuweilen lächerlich banal. 1971
wurde verzeichnet, dass sie erneut in der Künstlerpension im Birkenweg
14 wohnen werde, dass die GMS "Adolf" dort bereits einquartiert worden
sei, dass der IMS "Horst Baumann" im Theater zur Verfügung stünde und,
dass zu erreichen sei, "mit der Hagen keine weiteren Verträge in Dessau
abzuschließen". Vielleicht fahre sie ja mal unter Alkohol Auto.
In Dessau spielte sie weiter, auch in den Musicals "Can Can" und "Das
Fräulein wird Minister".
Dem Verstoß gegen den Sittlichkeitsparaphen dort folgte hier ein
delikates Delikt.
Zwei Lieder wurden aufgenommen und dem Regisseur brieflich versichert:
Das Villon-Lied sei von François Villon und das andere im Nachlass von
Pierre-Jean de Béranger entdeckt worden.
Aber der war längst tot, als Biermann es schrieb: "Statt Freiheit
Ketten, die am Knochen zerren".
Das Lied "Von den großen und den kleinen Fürsten" erklingt, nachdem
Eva-Maria Hagen mädchenhaft die Jahre ihrer Eliza Doolittle hinweg
gesungen hat.
"Katzgraben", 1953: Unter der Regie von Brecht hatte sie auch
gearbeitet.
Doch davon erzählt sie nicht viel, singt lieber einen Brecht-Song vor
dem Wolfslied:
"Surabaya-Johnny", ohne Pfeife im Mund, ohne Distanz, als steche wer in
See, ins Herz.
Sieben Tode, sieben Verluste: "Sieben Leben hat die Katze, aber ich, ich
habe acht".
Biermann schrieb ihr, was sie sang, Autobiografisches in Noten.
Zwanzig Minuten Applaus soll es gegeben haben, am 16. Dezember 1976, als
Eliza Doolittle abtrat.