BRECHT - PROGRAMM
»Joe, mach die Musik von damals nach ...«
Eine Hommage zum 100. Geburtstag von Bertolt Brecht
Ich brauche eigentlich nicht erst solche runden Jahreszahlen, um Brechts Lieder zu singen. Aber die Jubiläen sind vielleicht doch eine gute Gelegenheit, auch ein paar Leute zu erreichen, die vielleicht dachten, Brecht sei "out". Nur weil der Traum vom Kommunismus so schmählich zerbrach, tun ja manche Kleingeister so, als sei unser bedeutenster Dichter dieses Jahrhunderts ein toter Hund. Im Gegenteil, Brechts Lieder und Gedichte werden bestimmt viel länger halten, als wir halten.
Den alten Brecht erlebte ich 1953/54 bei der Inzenierung des Stückes "Katzgraben", denn ich geriet damals als kleine Schauspiel-Elevin ans Berliner Ensemle. Brechts wirkliche Bedeutung konnte ich erst ermessen, als er schon tot war. Und wie man Brechts Lieder lebendig auf der Bühne singen kann, das lernte ich dann in langen und lehrreichen Jahren mit Wolf Biermann.
Es gibt, das hat sich rumgesprochen, einen sogenannten Brecht-Stil. Er wurde in den fünfziger Jahren am berühmten ostberliner Theater am Schiffbauerdamm geprägt, dem "Berliner Ensemble". Das war ein unerhört neuartiger Stil, den man leicht zur Masche machen kann: also eine distanzierte, eine kalte und manirierte Vortragsart, die dann von den Feinschmeckern zungeschnalzend "Brechts Verfremdungseffekt" genannt wird. Große Gefühle sollen nach dieser Doktrin nicht gezeigt werden, die Schauspieler und die Sänger sollen, so heißt es, "neben der Rolle stehn". Aber große Gefühle und tiefe Gedanken schließen einander ja nicht aus. Das gilt auch für das Singen der Brecht-Lieder. - Man kann übrigens nur Gefühle in Frage stellen, die man vorher gezeigt und im Publikum erzeugt hat. Brecht selbst hielt sich in seiner Theaterarbeit nicht an solche schülerhaften Dogmen. Also singe ich seine Lieder mit dem Schnabel, wie er mir gewachsen ist, und ich interpretiere sie so, wie ich sie verstehen kann. Auf jeden Fall war es bisher immer so: Wenn ich Brechts Lieder in Konzerten sang, schmeckten sie den Leuten nicht wie verfremdetes ideologisch konserviertes Dörrobst, sondern wie frisch gepflückt vom Baum.
Andere singen Brecht anders, in seinem reichen Werk gibt es viele Interpretationsmöglichkeiten. Ich erinnere mich, wie ich Brecht als Siebzehnjährige zur Klampfe was vorsang, wie er sich über die Gassenhauer und Moritaten köstlich amüsierte. Jedenfalls verstelle und verrenke ich mich nicht zugunsten irgendeiner Brecht-Masche.
In einem der Biermann-Lieder, die ich auch immer wieder singe, heißt es: Der Mensch kann nur austeilen, das was er hat".
Ich singe Brechts Texte in den Vertonungen von Kurt Weill, Hanns Eisler und Paul Dessau und meinem Freund Wolf Biermann. Die Reihenfolge der Komponisten markiert im Groben zugleich verschiedene Phasen in Brechts Leben und Werk.
Den Anfang machen Brechts frühe anarchisch-romantischen Lieder, besonders solche populären Songs wie aus "Mahagonny" und aus der "Dreigroschenoper". Dann kommen Eisler-Kompositionen zu Texten, die Brecht schrieb, als er Kommunist geworden war, zum Beispiel die tief menschlichen Wiegenlieder einer Arbeitermutter. Hanns Eisler hat auch die schönsten Liebeslieder von Brecht meisterhaft vertont. Eisler knüpft dabei an das klassische Lied von Schubert und Schumann an, aber auch an Brahms und Schönberg. Ich singe auch Songs aus dem "Courage"-Stück, komponiert von Paul Dessau. Und natürlich singe ich einige der späten Gedichte von Brecht - in der Vertonung von Wolf Biermann. Diese letzten Gedichte aus den fünfziger Jahren sind, im Gegensatz zu den Texten aus Brechts begeisterten Flitterjahren mit dem Kommunismus, von einem tiefen Geschichtspessimismus geprägt.
Die meisten Lieder singe ich zum Klavier, einige begleite ich selbst auf der Gitarre. Das Ganze ginge aber nicht mal halb so gut ohne meinen Pianisten Siegfried Gerlich. Wir arbeiten seit inzwischen 20 Jahren ununterbrochen zusammen, sind in ganz Deutschland aufgetreten und in der halben Welt. Wir haben etliche Schallplatten produziert und in Theater-Produktionen zusammengearbeitet; u.a. in Hamburg, wo er die musikalische Leitung in Brechts "Mutter Courage und ihre Kinder" hatte und ich die Titelrolle spielte.
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Lied von der haltbaren Graugans
Der Herr ist aufs Feld gegangen
In der Luft hat er herumgeschossen
Herunter kommen ist die Graugans - ja, ja.
Sie ist sechs Jahr aus der Luft gefallen
Dein Weib und mein Weib
Haben sechs Jahr daran rupfen müssen - ja, ja.
Haben sechs Jahr daran braten müssen
Auf den Tisch haben sie's dem Herrn stellen müssen
Seine Gabel ist ihm darin stecken blieben
Sein Messer ist ihm darin abgebrochen - ja, ja.
Der Sau hat er's vorgeworfen
Die Sau hat's nit fressen können -
Es hat ihr das Maul zerrissen - ja, ja.
Der Herr hat's in die Mühl' geschmissen -
Zersprengt hat's den Mühlkasten - ja, ja.
Wie sie ganz zuletzt ist gesehen worden -
Ostwärts ist sie losgeflogen
Hinterdrein sechs Junge -
ostwärts mit Quong, Quong - ja, ja, ja, ja, ja.
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