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Templin (Uckermark) am Freitag, den 4. Juni 1999 Eröffnungsrede von Dr. Eberhard Ugowski bei der Ausstellung "Traumbilder in Öl" von Eva-Maria Hagen - im Multikulturellen Zentrum Templin : Die Ausstellung, die wir heute eröffnen, ist ungewöhnlich wie die vielseitige Künstlerin, der wir sie zu danken haben. So werden wir auch nicht dem gewohnten Ritual folgen, also nicht mit einer musikalischen Darbietung beginnen. Diese haben wir uns für den Abschluß aufgespart. Eva-Maria Hagen wird um 21.00 Uhr ein Konzert geben. Vor genau zwei Wochen hatten wir noch einmal den DEFA-Film von Kurt Maetzig "Vergeßt mir meine Traudel nicht" gezeigt, der sie 1957 mit einem Schlag als Schauspielerin bekannt und populär gemacht hatte. Der Beifall nach der Vorführung belegte, daß diese lange zurückliegende Leistung noch heute frisch wie einst wirkt. Und das nicht nur bei Nostalgikern. Neu-Uckermärker, die aus den alten Bundesländern kommend, sich nach der Wende hier angesiedelt hatten, zeigten sich ebenfalls beeindruckt. Aber es ist weder Absicht noch möglich, in dieser kleinen Rede die Schauspielerin und Sängerin zu würdigen. Weshalb auch, jeder hier kennt sie. Aber die Malerin Eva-Maria Hagen kennen nur wenige. Eva-Maria Hagen ist immer für eine Überraschung gut. Ihr vor zwei Jahren erschienenes Buch ›Eva und der Wolf‹ war so eine. Beim Lesen entstand vor mir das Bild einer starken Frau, die bedingungslos zu dem steht, was sie als richtig erkannt hat, leidenschaftlich-gefühlvoll, spontan, wissensdurstig, romantisch vielleicht, aber auch konsequent sich zu den eigenen Schwächen bekennend. Das Buch überrascht aber nicht nur durch die Ehrlichkeit und durch den Mut, Persönliches mit allen Höhen und Tiefen öffentlich zu machen. Es überraschte vor allem durch die poetische Ausdrucksweise, die überzeugende Art Gefühle und Situationen bildhaft zu beschreiben. Wenn die Presse mit Hochachtung manifestierte, es sei literarisch und in seiner Offenheit wohl das Beste der Erinnerungsbücher zum Thema Leben in der DDR, kann man dem vorbehaltlos zustimmen. Mich hat dieses Buch, wie kein anderes zu diesem Thema, betroffen gemacht und beschämt, weil ich auf sinnliche Weise und unausweichlich begreifen mußte, wie infam und inhuman in der DDR mit Menschen umgegangen worden ist, die sich ursprünglich mit diesem Staat verbunden fühlten, aber die immer wieder die formulierten humanistischen und sozialistischen Ziele wörtlich nahmen. Mit "Eva und der Wolf" hat Eva-Maria Hagen den Beweis angetreten, daß sie nicht nur als Interpretin zu überzeugen vermag. Mit dieser Ausstellung ist ihr wieder so eine Überraschung gelungen. Obwohl totale Autodidaktin, hat ihre Malerei nichts aber auch gar nichts mit den sogenannten Sonntagsmalern gemein. So persönlich ihr Bucherstling auch gewesen ist, der Inhalt war vom Faktischen bestimmt, die subjektive Reflexion dokumentarischer Beleg für Geschehens. Anders ihre Bilder. Sie sind, wie mir scheint, die persönlichste Art Eva-Maria Hagens sich künstlerisch zu äußern. Phantastisches, das in ihr Wohnende, in ihrer Seele Verborgene, nimmt darin Gestalt an. Sie waren nie für die öffentliche Präsentation gedacht, sind eher ein Weg auf der Suche nach sich selbst, Selbstzweck und spielerische Freude am Vorgang des Entstehens, aber Form, Alpträume zu bewältigen und auf friedlich Weise Aggressionen abzureagieren. Diese Bilder sind durchaus nicht nur privat, sie sind viel mehr. Sie zwingen den unvoreingenommenen Betrachter durch ihre Ehrlichkeit auch zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich. Ich empfinde es immer als widersinnig, wenn eine Ausstellungseröffnung zum Anlaß genommen wird, die ausgestellten Werke zu erklären. Bilder werden gemalt, weil Worte nicht dazu taugen das auszudrücken, was der Maler empfindet. Und schließlich vollenden sie sich auch immer erst im Betrachter, der seine eigene Erfahrung einbringt. In mir sperrt sich auch etwas gegen noch so profunde theoretische Deutungen, gegen eine mehr oder weniger doch intellektuelle Annäherung. Ich werde immer das Gefühl nicht los, daß dabei das Eigentliche der Bildwerke verloren ginge, ihre Schönheit und Sinnlichkeit zerredet würden: Mir dagegen ist viel wichtiger als noch so kluge Deutungen, daß ich mich von den Bildern weiter verzaubern oder aber provozieren lasse, das Phantastische, das Geheimnisvolle, Fremde in mich aufnehme also erlebe. Ich wünschte mir, Sie würden mir auf diesem Wege folgen, mit den Bildern in einen Dialog treten und dem nachspüren. was diese in ihnen zum Klingen bringen. An meine erste Begegnung mit Bildern von Eva-Maria Hagen kann ich mich noch gut erinnern. Sie liegt schon längere Zeit zurück. In der Zeitschrift "Magazin" sah ich einige Reproduktionen, zwangsläufig sehr klein, die mich aber dennoch auf eigenartige Weise angesprochen haben. Was also lag näher als der Versuch die Originale zu sehen. Mir war bekannt, daß Frau Hagen hier in der Nähe einen Wohnsitz hat und ich fand bei ihr viel Verständnis für meinen Wunsch. Die Bilder waren eine echte Überraschung für mich, eine Entdeckung. Mitunter sind es ja Nebensächlichkeiten, die einem zuerst ins Auge springen. Eine Hand erinnerte mich seltsamer Weise an ein Bild von Strawalde - oder Jürgen Böttcher. Die langjährige Freundschaft beider war mir nicht bekannt. Daß die innere Nähe zu Bildern eines Freundes auch in den eigenen eine unbewußte Spiegelung findet, ist normal. Es wär aber ungerecht, den Versuch einer Nachahmung konstatieren zu wollen. Eva-Maria Hagens Antrieb, die Bilder, die sie in sich trägt, auf die Leinwand - oder einem gerade vorhandenen anderen Malgrund, wie beispielsweise ein Bettgestell - zu bannen, ist offenbar viel zu stark, als daß sie in eine derartige Gefahr geraten könnte. Ihre Bilder atmen viel Frische und Poesie, wirken als spontaner Ausdruck innerer Befindlichkeit. Bewundernswert ist ihr ursprüngliches und durch keine akademische Ausbildung verstelltes Gefühl für Form und Farbe. Ihre Bilder, die wie in einem Rausch gemalt zu sein scheinen, sind dennoch genau komponiert. Es gehören nun einmal Kraft und Ausdauer dazu, um besonders die großen Formate mit so einem dicken Farbauftrag zu bewältigen. Der Eindruck der Spontaneität täuscht also. Keine Augenblicksstimmung reflektiert sich in ihnen, sondern tiefes Empfinden. Die Bilder spiegeln Erlebtes und Erlittenes, Trauer und Schmerz, Hoffnung und Freude, Wünsche, Sehnsüchte. Mitunter sind sie wie ein Schrei einer verletzbaren sensiblen Frau. Immer, wie könnte es anders sein, sind Liebe und Erotik im Spiel. Es sind eben Evas Traumbilder in Öl. Wenn sie nun noch wissen möchten, wie vor etwa 30 Jahren die Malerin Eva-Maria Hagen geboren wurde, so lesen Sie den Text, den Wolf Biermann für sie geschrieben hat. Das Bild, von dem die Rede ist, werden Sie ebenfalls hier entdecken Noch einen Satz zu dieser, wie ich meine, äußerst lebendigen Ausstellung. Sie will nichts Abgeschlossenes zeigen und betont bewußt das Prozeßhafte. Für Eva-Maria Hagen sind Bilder eigentlich nie fertig. Immer wieder verändert sie dies oder das. Vermutlich haben Sie längst den Geruch der Farben, der in der Luft liegt, wahrgenommen. Die Farbe ist noch nicht trocken, eine zu starke Annäherung also gefährlich. Abschließend möchte ich mich noch einmal bei Eva-Maria Hagen dafür bedanken, daß dieses aufregende Ereignis zustande gekommen ist. Ich denke, auch für sie selbst ist es aufregend. Es ist die erste zusammenhängende Präsentation ihrer Bilder. Herzlichen Dank also! _______________________________ Dilettante - (Text von Wolf Biermann) Mich dürfen Sie nach den Ölbildern meiner Freundin nicht fragen, denn ich bin in diesem Punkte ein doppelter Dilettant. Auf Deutsch übersetzt heißt dieses halbe Schimpfwort wohl nichts weiter als "Liebhaber", zumindest hat Goethe das ironisch behauptet. Wie auch immer: Dilettant - dieses Neun-Buchstaben-Wort hat einen Hautgout; es riecht nach Stümperei, nach laienhaftem Möchte-gern-kann-aber-nich. Ich jedenfalls dilettiere gegenüber Eva-Maria Hagens Bildern doppelt. Ich bin voreingenommen, denn ich liebe die Malerin und ich verstehe zu wenig von Malerei. Und zugleich ist diese gelernte Schauspielerin und gestandene Liedersängerin ja selbst auch ein Dilettant. Political correct müßte ich sagen: Dilettantin oder Dilettante, aber "tantig" sind ihre Bilder nun wirklich nicht. Im Gegenteil, sie haben die kindliche Frische der echt Naiven Malerei. Aber auch das ist einzuschränken: die echten Naiven kommen mit ihrer Manier, die bei den Besseren zum Stil wurde und bei den Schwachen zur Masche, ja aus dem ästhetischen Nichts. Naive Maler erfinden die Welt mit Pinsel und Farbe immer wieder von vorne. Will sagen: sie malen drauflos ohne bewußten Bezug auf historisch gewachsene Kunst. Bei Eva-Maria aber gibt es eine gar nicht so naive Dimension aus echt naivem Grund: Als sie anfing mit Malerei, machte sie einfach unseren Freund Jürgen Böttcher nach. Man weiß: der nennt sich als Maler Strawalde. Und der Kunstkenner weiß: Böttcher/Strawalde ist der Lehrer von Peter Graf, von Peter Herrmann und Ralf Winkler. Und mancher Fachmann weiß natürlich, daß einer von diesen drei Schülern aus Dresden später Karriere machte unter dem Namen "Penck". Jürgen Böttcher war halt nicht nur der bedeutendste Dokumentarfilmer der DDR, sondern auch ein mit allen akademischen Wassern gewaschener Absolvent der berühmten Dresdener Akademie. So ahmte Eva, als sie plötzlich anfing, Bilder zu malen, diese gar nicht naiven Vorbilder nach. Der brutal pastose Farbauftrag dieser Maler kam ihr dabei zu pass: sie konnte ihre zeichnerische Ungeschicklichkeit überpampen mit immer noch neuen Quetschern aus der Farbtube. So wiegen solche Bilder denn auch entsprechend schwer. Zentimeterdicker Farbauftrag. Aber das alles würde ja noch nicht hinreichen für unser Interesse an diesen Bildern, geschweige denn für unser Entzücken. In meiner Lebensgeschichte hatte es sich auch so ähnlich ergeben: zum Künstler werden viele Leute durch die Initialzündung eines Schmerzes, der ans Lebensmark geht. Sowas kann der kranke Körper liefern, die kranke Seele schafft das auch. Das mag der Tod eines unersetzbaren Menschen in uns anrichten, politischer oder erotischer Liebeskummer hilft da auch, wenn er nur tief genug in einem frißt. Wenn es wahr ist, was Eva-Maria mir erzählt, dann hatte sie im Jahre 1967 irgendeinen welterschütternden Liebeskummer mit ihrem neuen Liebsten. So lag sie in ihrem viel zu großen Goldbett alleine, schön sterbenstraurig. Immerhin besaß sie noch so viel Lebensmut, daß sie ihre kleine Tochter Nina in den ostberliner Laden für Kunst-Malerei-Bedarf in der ostberliner Chausseestraße schickte, ein paar Meter rechts neben Brechts Wohnung am Hugenottenfriedhof. Das gute Kind sollte der liebeskranken Mama Ölfarben, Farb-Verdünner, Pinsel und Leinwände mit Spannrahmen kaufen. So entstand Evas erstes Bild: Der böse Wolf, als blauer Chagall-Vogel verkleidet fliegt oben rechts aus dem Bild. Und der geübte Betrachter erkennt den fliehenden Unhold nur an den typischen weißen Platschfüßen. Unten aber hockt die schöne Eva auf einem Rasenstück im Blumengarten. Sie hat ein kleines buntes Tischtuch über den Rasen gebreitet und ein wunderbar duftendes Essen für ein Liebespaar vorbereitet: Brot und Früchte und Wein und Wurscht und Käse und nochmals Blumen und Blüten. Aber, wie sie beim Hochschielen sieht, der gemeine Idiot mit seinen Käsefüßen haut einfach ab und läßt sie da sitzen. Nun wird er eben nix von all den Köstlichkeiten haben, nichts von dem Wein und nichts von den roten Lippen, nichts vom frischen Brot und nichts vom duftenden Brötchen und auch nichts von den paradiesischen Äpfeln, die sich die Schöne auf die Brust gemalt hat - und das hat er davon!! Selber Schuld! Ach... Als ich "in echt" wieder bei ihr ankam, da stand kein Essen mehr auf dem Tisch, sondern das wundersame Bild auf der Staffelei. Und die Strafe folgte unbarmherzig. Als ich flötete: O Eva, was für ein wunderherrlich schönes Bild Du da gemalt hast, da schmollte meine verletzte DDR-Venus: Dieses Bild habe ich für einen anderen gemalt! Ich hätte über all das kein Wort verloren, wenn dieses Bild dann nicht doch dem geliebten Schuft geschenkt worden wäre, dem es sowieso gehörte: Wolf Biermann ___________________________________________________ Jürgen Böttcher Strawalde zur Austellungseröffnung von ›Evas Traumbilder in Öl Templin (Uckermark) Freitag, 4. Juni 1999 Es ist das alte Lied, wer mich erlebt hat bei ähnlichen Anlässen, der weiß, daß ich vorher nichts weiß. Eva hat mich gebeten, paar Worte zu sagen, der große Wolf ist nicht da - ich weiß nicht wo er grade ist - sonst hätte ich heute frei wahrscheinlich, wäre abertrotzdem durch eine Hintertür gekommen ohne diese Belastung, hier auftreten zu müssen. Es ist so: Sie werden jetzt Zeuge, daß ich der Eva erstmal ganz ganz herzlich gratuliere, als uralter Freund, wenn man bedenkt, daß wir uns 35 Jahre kennen; daß ich Eva erlebt hab, wie sie bei Wolf reinschneite und - ich muß es zugeben - Eva damals noch nicht so achtete, wie sie es vielleicht verdient hätte. Weil ich als junger Defa-Regisseur, der schon in Verschiß war, eine gewisse Missachtung hatte für gewisse DEFA-Produktionen. Die ›Traudel‹ hat mich zwar auch berührt, aber ... nimmst du mir das übel, Eva? - Einwurf von Eva: Na und wie! - Aber Leute meiner Art, sage ich immer, die was anderes noch vorhatten und glaubten, weil sie so benutzt worden war und auch mit Recht ausgestellt worden war von der Kulturobrigkeit der DDR und fast als Maskottchen des auf erotischen Sozialismus eingeschleust worden war, waren wir auf dem Gebiet vorsichtig. Als sie nun aber auf der - auf der Couch hätte ich beinahe gesagt - bei Wolf auftauchte, wurde es für mich viel schwieriger. Man hat sich ja dann persönlich gegenüber und schon der erste Prozeß, spürte, was da alles in Gang gesetzt war, an Kühnheit, an Revolutionärem, ja, daß sie sich auf einmal auf dieses Nest einließ und sich dort auch, man muß es so sagen, bildete - Eva war nicht ungebildet, aber das mußte noch dazukommen, sei ehrlich! Eva: aber der Wolf ist auch durch mich gebildet worden ... Das wollt ich gerade sagen, aber das können Sie alles in dem Buch (Eva und der Wolf) lesen. Was will ich Ihnen erzählen? Ich will Ihnen nur andeuten, welche Empfindungen man hat, wenn man gebeten wird, zu so einer Ausstellung zu kommen, die erste dieser Art, als einer, der schon zig Jahre länger malt. Ich male über 50 Jahre - die Eva hat später angefangen, ist ja auch bisschen jünger. Ich bin ein so genannter akademischer - herrlich, wie Sie schon lachen über alles - ein so genannter akademischer Maler, war aber in der DDR nicht so sehr angesehen als Maler und war da mehr oder weniger illegal, war aus dem Verband geschmissen worden, als so genannter Abstraktionist, Formalist, obwohl ich noch relativ gegenständliche Bilder malte. Ich hab als Filmemacher, neben meiner Filmerei, auf Sparflamme gemalt und Sie ahnen vielleicht, dass das trotzdem für einen jüngeren, denn damals war ich ja noch jünger, Mitte dreißig, nicht das Erstrebenswerte ist, wenn man malt und malt und man weiß, man wird nie ausgestellt. Das ist jetzt nicht mehr zum Lachen, entschuldigen Sie, ich bin Regisseur und achte auf die Darsteller. Was ich gesagt hab, ist wirklich nicht zum Lachen, es ist ein schwieriges Schicksal selbst für mich gewesen, nicht nur für Wolf, verboten gewesen zu sein. Aber unsere Freundschaft, wir haben uns gegenseitig ganz viel gegeben, wir haben uns auf radikalste Weise anvertraut, unsere Ängste, unsere Wut, unsere Utopien und wir haben trotz Bewachung, trotz Bespitzelung, uns relativ frei bewegt und auch bewegen können, obwohl, wenn ich mich erinnere, wie ich manchmal durchs Hinterhaus in der Seelowerstraße ... von Wolf nachts um eins kam, dahinter ein Wagen langsam fuhr, ich mit der letzten Bahn, Taxi konnte man sich nicht leisten, dann ins Haus rein, da gingen immer drei Herren hinter einem her - das war oft, nicht wahr? Man ging die Treppe hoch, ich musste in den 4. Stock. Und wenn ich im dritten Stock wartete, warteten die auch. Dann machte ich die Tür auf und dann standen die vor der Tür. Ein paar Minuten. Dann stand man hinter der Tür, wusste nicht, kommen sie jetzt oder kommen sie nicht. Genau das hatten sie gewollt. Also, ich wollte damit nur skizzieren, es war manchmal ganz schön makaber. Aber ich will jetzt wirklich mal was sagen, ich rede nicht über Evas Malerei, ich muß skizzieren, wo wir herkommen, was es bedeutet, als ich dann die ersten Bilder von Eva sah. Wie man staunt, wenn man von 'ner ganz anderen Ecke kommt, wenn man Jahrzehnte vorher sich schon bemüht hat. Der Adi Ugowski hat vorhin gesagt, es ist keine naive Malerei, und in gewissem Sinne auch der Wolf in dem schönen Brief oder Kurzessay, den er geliefert hat, weil er nicht hier sein kann, sagt er das auch ziemlich schön, daß es nicht mit Dilettantismus und auch nicht mit Naivität gesagt ist. Aber es gibt eine andere Ecke, die jeder Maler, der sich dem als Gesamtberuf erstmal nähert, das ist ein wunderbarer Entschluß, gleichzeitig ist es ein Wagnis. Denn in dem Moment, wenn man das, was man so aus Liebe tut, zum Beruf machen will und wenn man alles nur darauf stellt, kommt natürlich auch die Frage: Kannst du das leisten? Ist es nicht anmaßend? Wirst du das aushalten? Und man muß sich mit vielen Dimensionen befassen, der Uralt-Malerei, der Höhlenmalerei, der Malerei anderer Kulturen, der modernen Malerei - mit allem muß man sich auseinandersetzen. Das ist ein dummes Wort, auseinanderzusetzen ... sich zu befassen mit den Bildern der Naiven, der Kinder und der Wahnsinnigen. Das ist ja bekannt: Die Radikalität, die völlige Unvoreingenommenheit, der Aufschrei oder das Lied aus tiefster Brust, das zu malen ... Wie wir wissen ist es nichts Verrückteres als die Kinder zu sehen, für die ein bestimmter Fleck, eine Kirsche ist, die Mutter, ein paar Zeichen, ein paar Kritzel und die wirklich mit Hingabe das fühlen, wo andere dann oft sagen oder später die Lehrerin: Nein, das mußt du so machen, was ja alles Quatsch ist. Und über die Malerei, die enormen Dinge, die dann in den Zwanziger Jahren erfahren worden sind, von Grosz, dem Klee, Max Ernst, was die Malereien der Schizophrenen ans Tageslicht gebracht haben, an tiefen Spuren, Ängsten und Träumen. Dann wieder die Malerei der wundersamen Naiven, wo dann nur der Rousseau der König ist oder der wunderbare Georgier Pirosmanaschwili, auf dessen Spuren ich auch schon versucht habe, einen Film zu machen. Es ist dann immer so, daß es in Wahrheit natürlich ganz einfach ist, die sogenannten Naiven sind eben nicht zu reduzieren auf naiv. Bei Eva spielt aber in wunderbarster Weise ein Element des Naiven hinein - nicht weil sie als Person, als Persönlichkeit naiv ist, sondern weil es eine verrückte Freiheit ist, sich neben ihrer enormen Äußerung als Schauspielerin und als großartige Sängerin zu spüren, daß sie das noch braucht, daß sie das liebt. Das ist, wenn Sie so wollen, eine Gratüberschreitung, die ist auch verrückt, also hat sie auch noch einen Schuß von dem wunderbaren Wahnsinn, ohne in die Klinik zu müssen und das ist kostbar. Und dann hat sie, kuckt sie Euch an, sie ist jetzt auch schon über dreißig, ja ist doch wahr - und manchmal, da kuck ich - ich kenn sie schon so lange - und denk, das Luder, jetzt bist du wieder wie ein Kind, nicht? Nun haben das aber alle wunderbaren Frauen, mehr oder weniger. Also ich muß dich gleich wieder etwas dämpfen, aber als Malerin ... es kommt immer auf den Schluß an. Was soll ich sagen? Adi hat gesagt, nimm doch den Begriff der Komposition. Ich hab Adi gesagt, (zeigt auf ein Bild) wie raffiniert, ich hab das Bild gar nicht gesehen, weil ich gleich Interviews geben mußte, hab nur das da gesehen, draußen das Plakat. Adi sagte, Komposition, ich sagte zu ihm, na jemand, der so musikalisch ist, das ist doch Tanz, das ist doch daraptschibängdanz, der wird doch, wenn er eine Bildfläche malt, das ist Eva, das ist in ihr drin - und dann kommt die Bildung dazu. Eben nicht nur Spontaneität, was Adi auch andeutete, daß sie dann dran arbeitet, warum? Weil sie es nicht so lassen kann. Weil der erste Punkt der Emotion ... und dann kommt das Überdenken, weil sie nicht nur naiv ist, weil sie nicht nur verrückt ist. Und weil sie manchmal nicht nur noch ein Kind ist und so weiter. Ich zeige ihnen nochmal sehr genau, das ist ... also ich bin ein ziemlich raffinierter Maler, deshalb bin ich noch nicht berühmt genug, die Fernsehkameras kommen jetzt nur zu Eva und noch nicht zu mir. Aber ich kann Ihnen wirklich erzählen, sehen sie mal, das ist äußerst raffiniert. Sie hat auch noch ein paar andere Bilder, die sind auch gut, aber wie sie das hier reinsetzt, wie sie diese Krallen mit dem Stern, diese Interpunktion ... das ist fantastisch. Das ist rhythmisiert - was auch ihr Verdienst ist, sie geht so wunderbar nah an Kitsch, was nur die ganz Großen sich leisten können; sonst brechen sie ein. Also ich kann mirs leider noch nicht leisten, aber glauben sie mir, es ist phantastisch und wenn ich nicht einigermaßen lachen müßte, müßte ich neidisch werden. Eva, ich hör schon auf ...
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Evas erstes Bild
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