Brief von Wolf Biermann
an die Staatskanzlei vom Land Rheinland-Pfalz
01.10.1998
Liebe Ingeborg Hoffstadt,
von meiner Freundin Eva-Maria Hagen höre ich, daß ihr der Carl-Zuckmayer-Preis verliehen werden soll. Das finde ich sympathisch und angemessen. Daß ich allerdings auch in die Preisverleihung mit reingeraten soll, halte ich für übertrieben. Freilich sieht das Buch "Eva und der Wolf" auch so aus, als wärs ein Stück von mir, und mich locken die 30 Liter vom "Fröhlichen Weinberg" geradezu gefährlich nach Mainz. Aber die Wahrheit ist, daß ich bis heute dieses Buch nicht gelesen habe. Mein freundschaftlicher Brief, der als eine Art Vorwort im Buch abgedruckt wurde, ist keine rhetorische Verstellung, ich hab wirklich meiner ewigen Freundin freie Hand gelassen, mit unseren Liebesbriefen von vor dreißig Jahren zu machen, wie sie es will und braucht. Schließlich weiß ich ganz gut, wie gelassen ich ihrem guten Geschmack und ihrer Wahrhaftigkeit vertrauen konnte. Etliche meiner Freunde, deren Urteil ich schätze, haben das Buch gelesen und sind einhellig der Meinung, daß es ein quicklebendiges Dokument ist, eine Art Sittengemälde der DDR-Gesellschaft in diesen aufregenden Jahren.
Kurz und gut: Feiern Sie Eva-Maria Hagen mit
dem Zuckmayer-Preis für diesen Briefwechsel zwischen Eva und dem Wolf,
aber lassen Sie den Wolf diesmal auf der dunklen Seite des Mondes. Und
wenn Eva zusammen mit ihrem Pianisten Siegfried Gerlich bei Ihnen ein
schönes Konzert liefert, bin ich ja auch anwesend in meinen Liedern.
Ich werde also in Hamburg bleiben, und wenn Eva mit ihrem Weinfäßchen zurückkommt, trinken wir ein Glas auf Carl-Zuckmayer. Mit freundlichen Grüßen Ihr Wolf Bierman |