Eva-Maria Hagen
Dankesrede
18.01.1999
Als vor einigen Wochen das Telefon klingelte und eine freundliche Frauenstimme aus einer Staatskanzlei in Rheinland-Pfalz fragte, ob ich die Carl-Zuckmayer-Medaille annehmen würde, wenn man sie mir überreicht, dachte ich im ersten freudigen Schreck: Da haben die Götter meines Träumehimmels sich mal wieder was Tolles ausgedacht. Mich irritierte, daß ausgerechnet ich mit einem Literaturpreis geehrt werden soll für ein dickes Buch, das ja nicht als literarisches Werk angelegt wurde. Es ist, wie Sie selbst wissen, der Briefwechsel zwischen mir und Wolf Biermann, also zwischen zwei Liebenden in ganz schön komplizierten Zeiten, die man im brechtschen Jargon getrost 'finstere Zeiten' nennen darf. Mit anderen Worten: es waren Zeiten, in denen das Telefonieren und sogar das Geflüster der Liebenden in der Nacht gefährlich sein konnte, weil die Atmosphäre vergiftet war von dem orwellschen Satz: 'Big brother is watsching you'.
Es ist Menschen im Westen, inzwischen sogar den Jungen im Osten, nur noch schwer begreiflich zu machen, welche Bedeutung das Briefeschreiben für Wolf Biermann und mich hatte. Umso mehr freue ich mich, daß über die persönliche und politische Bedeutung dieses Briefwechsels hinaus, Sie darin auch literarische Qualitäten erkennen, für die ich heute also geehrt werde. Darauf haben damals weder Wolf Biermann noch ich auch nur einen Gedanken verschwendet. Kurz und gut: Ich stotterte meine Antwort ins Telefon, daß mich dieser Preis freut. Carl Zuckmayer kannte ich wenig und wie ich inzwischen merke, vielleicht zu wenig. Ich kenne, das versteht sich, seine populären Stücke. Die weltberühmte Figur des 'Hauptmann von Köpenick' sah ich gern in der Verfilmung mit Heinz Rühmann und noch lieber mit Rudolf Platte. Ich weiß, daß die Preisträgerin des Vorjahres, Kathi Thalbach, dieses Stück auch inszeniert und dank eines glücklichen Unglücks diese Hauptrolle sogar spielte. Und ich vergesse nie Curd Jürgens als 'Des Teufels General'.
Seit diesem Telefonanruf, das sehen Sie mir bitte nach, habe ich mich erst jetzt mit dem Leben Carl Zuckmayers beschäftigt und bin beeindruckt von seiner Charakterstärke. In den Umständen seiner Emigration finde ich Parallelen, Verwandtes, aber auch Unterschiede zu Brecht, den ich freilich besser kenne. Ich habe das alles zwar nicht erleben müssen, aber begreifen und tief empfinden kann ich solche Worte auch: Wer einmal ein Heimatvertriebener war, aus seinem Stammland zu Unrecht ausgetrieben und ohne viel Hoffnung auf Rückkehr, nur der weiß es wirklich und kann es voll empfinden, was Heim und Haus, was Heimat und Vaterland eigentlich heißen'.
Ich bedanke mich nun von Herzen bei allen, die mich ausgewählt haben für diese Auszeichnung. Ich fange nicht aus hierarchischer Höflichkeit mit Frau Kulturministerin Dr. Rose Götte an, sondern weil sie mir einen wunderbar aufrichtigen Brief geschrieben hat nach der Lektüre des Buches. Ich bedanke mich bei Kurt Beck, dem Ministerpräsidenten, für seine einfühlsame Rede.
Ich bedanke mich bei Frau Ingeborg Hoffstadt, weil der Preis für mich
noch den Vorteil hatte, daß ich bei dieser Gelegenheit mit ihr nebenbei
so wunderbare Gespräche führen konnte über Gott und die Welt. Sie hat
hier alles vorbereitet zusammen mit Frau Bonn und vielen Beteiligten,
die im Stillen gearbeitet haben, um uns diesen schönen Abend zu
ermöglichen. Ich bedanke mich auch bei dem Schauspieler Klaus Götte, der
die Textpassagen so lebendig las, als hätte er sie selbst geschrieben.
Dank auch Jürgen Böttcher-Strawalde, einem alten Freund, der, wie Sie ja selbst sehen und wohl auch gemerkt haben, ewig jung bleibt. Auch er kreuzt des öfteren auf in dem Buch 'Eva und der Wolf. Ich liebe und bewundere ihn als aufrichtigen Menschen, als einen Künstler, der zum Aufregensten und Haltbarsten gehört, was die DDR hervorgebracht hat. Ich weiß es zu würdigen, daß er sich die Zeit genommen hat, für mich eine Rede zu halten.
Und meinen Freunden von damals und heute danke ich, besonders Matti
Geschonneck, der im letzten Kapitel: 'Die Abtreibung aus dem Paradies',
ja keine unwesentliche Rolle spielt, ebenfalls Tine Biermann mit ihrer
'singenden Seele', die aus Hamburg hergereist ist, meine Lektorin im
Econ-Verlag, Krista Schädlich, der Organisatorin meiner Lesungen,
Hiltraud Tüllmann, sowie allen Gästen, die nach Mainz gekommen sind und
sich mit mir freuen.
Mit einem weinenden und einem lachenden Auge denke ich an meinen ewigen
Freund Wolf Biermann, ohne den es das Buch 'Eva und der Wolf', das
versteht sich, gar nicht gäbe. Er sollte eigentlich hier mit mir
zusammen stehen, aber er ist tief im Schreiben und wollte diesmal lieber
'auf der dunklen Seite des Mondes bleiben', so drückte er sich aus. So
überläßt er mir das volle Rampenlicht. Aber die dreißig Liter Wein
werden wir peu à peu zusammen picheln. Damit wollte ich deutlich genug
andeuten, daß unsere innige Freundschaft niemals zerbrochen ist. Im
Grunde ist es kein wirklicher Schaden, daß er nicht hier ist, denn
anwesend ist er sowieso immer in seinen Liedern, von denen ich Ihnen
jetzt einige singe. Mein Pianist Siegfried Gerlich wird mich dabei
begleiten. Verargen Sie mir nicht mein Gestammel. Auch auf mich gilt
eine Strophe, die mir Wolf mal als Auftrittslied geschrieben hat: 'Der
Mensch kann nur austeilen, das was er hat.
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