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„Das Zirkuspferd in mir scharrt mit den Hufen“

DIE RHEINPFALZ — NR. 58 MITTWOCH, 10. MÄRZ 2010


MITTWOCH, 10. MÄRZ 2010 BLICKPUNKT: 16. SPEYERER „KULTURBEUTEL“-FESTIVAL IM ALTEN STADTSAAL
Greta, Franziska und die ungelebte Sehnsucht Herxheimer „Chawwerusch“-Theater führt zum Internationalen Frauentag die Komödie „Schwesterherz“ auf „Das Zirkuspferd in mir scharrt mit den Hufen“

INTERVIEW: Lieder über die Liebe präsentiert die Sängerin, Schauspielerin und Autorin Eva-Maria Hagen beim Kulturbeutel-Festival. Am Freitag, 12. März, 20 Uhr, steht sie mit ihrem Programm „Ich kann auch alleine…“ im Alten Stadtsaal Speyer auf der Bühne. Warum die 75-Jährige gern Liederabende gibt und was sie über das Älterwerden denkt, hat sie unserer Mitarbeiterin Anne Kirchberg erzählt.

Was hat Sie bereits als Kind am Theaterspielen fasziniert?

Das Spielen überhaupt, wie es allen Kindern angeboren ist, war der Ausgangspunkt. Die Lust darauf, in Figuren der Märchenwelt zu schlüpfen, durch Verkleidungen und blühende Fantasie von der Gänseliesel zur Prinzessin zu werden, vom unscheinbaren grauen Entchen zum weißen Schwan, als Gespenst herumzugaukeln, ein Engel zu sein. Auch die Gegenwart im Krieg wurde zum Thema, Überfälle der Soldaten, Verschleppungen der Jungfrauen, Abenteuer- Erlebnisse…

Hat sich diese Faszination im Laufe der Jahre verändert?

Das schon. Ich war als Kind in keinem Theater oder Kino, nur in der Kirche und als Zaungast beim Dorfvergnügen, und zur Fasnachtszeit sah ich dem Treiben der Erwachsenen zu. Dann kam die Vertreibung aus der alten Heimat in die große Welt, das Filmtheater im Provinzstädtchen Perleberg. Bald wusste ich, das Theater ist die Richtung, wo ich hin will.

Welchen Unterschied macht es für Sie, ob Sie mit einem Stück oder mit Liedern auf der Bühne stehen?

Meine letzte Theaterarbeit war 2008 das „Fräulein Schneider“ im Musical „Cabaret“ mit Aufführungen in Berlin, München und Hannover, also das Singen und Spielen im Ensemble unter Leitung eines Regisseurs. Wenn ich Liederabende gebe, stehe ich allein – in Begleitung meines Pianisten – auf der Bühne. Und wenn ich Lesungen aus meinen Büchern mache, mich dabei auf der Gitarre begleite, singe, ist das noch persönlicher und hat einen besonderen Reiz.

Singen, malen, Theater und Filme – machen Sie alles gleich gerne?

Ich liebe anscheinend die Abwechslung, denn von September bis November findet im Film-Museum Potsdam – unter dem Titel „Mondsüchtig“ – eine Ausstellung meiner Bilder statt. Bei der Vernissage werde ich auch singen und lesen und erzählen.

Woher nehmen Sie ihre Energie?

Keine Ahnung. Wahrscheinlich angeboren oder gewachsen im Laufe der Zeit. Aber das mit der Energie ist ja nicht rund um die Uhr so. Ich reiße mich nicht drum, ständig auf Achse zu sein. Wenn dann aber ein verlockendes Angebot kommt, scharrt das Zirkuspferd in mir mit den Hufen und möchte in die Arena traben und das „Lied vom letzten Wunsch eines alten Zirkuspferds“ singen, eine meiner Zugaben.

Ihr aktueller Kinofilm „Dinosaurier“ handelt vom Älterwerden. Welche Gedanken machen Sie sich darüber?

Meistens verdrängt man Gedanken an die Endlichkeit des eigenen Lebens. Andererseits sehnt man sich nach dem letzten Vorhang, wenn das Erdendasein nur noch dumm und trist zu sein scheint, wie es imschwedischen Lied von Nils Ferlin heißt. Denn die Sehnsucht nach dem Tod ist häufig die Sehnsucht nach einem lebendigen Leben. Im Lied sind, seit gesungen wird, alle Herzensdinge und Menschheitsträume aufbewahrt. Für mich ist Singen das wirksamste Mittel gegen Seelenschmerz und Mutlosigkeit.

Mit welchem Programm werden Sie in Speyer auftreten?

Der Titel des Programms ist „Ich kann auch alleine…“, die Anfangszeile eines Liedes aus „Professor Unrat“, in dem ich die „Rosa Fröhlich“ spielte und wofür Wolf Biermann 1975 einige Kneipenlieder schrieb, frech und originell. Ich werde auch Brecht singen und Lieder aus aller Welt über mein Lieblingsthema: die Liebe. Was verbinden Sie mit der Stadt Speyer? Ich erinnere mich an schöne Augenblicke, Bilder und Begegnungen, an besondere Architektur, aber vor allem an mein Konzert „Nimm dich in acht vor blonden Frau‘n“ in Speyer. Ich freue mich auf den Abend in Speyer, denn „Ich kann auch alleine …“ Naja, besser ist es schon zu zweit, wenn mein mich seit 25 Jahren begleitender Pianist Siegfried Gerlich dabei ist.

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Wirksamstes Mittel gegen Seelenschmerz und Mutlosigkeit: So beschreibt Eva-Maria Hagen das Singen.






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