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Aktenkundig

(1974)

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HA XX/7
Gen. Lohr
Berlin, 21. Januar 1974
f26/A/19/66/1510/RÖ.

Vertrauliche Dienstsache
Informationsbericht vom 19. Januar 1974

3533
In einem Gespräch zwischen Eva-Maria-Hagen und Gisela Sch. wird von seiten G. Sch. geäußert, daß der Schauspieler Horst Schulze im Westen sein soll. Eva-Maria glaubt das nicht, weil Schulze sehr viel zu tun hatte. Er ist Mitglied des Fernseh-Schauspieler-Ensemble und sie müßte es wissen, ob er wirklich geflüchtet ist. G. meint dann, es wird erzählt, er soll gar nicht drüben sein. Bei der Flucht soll er erwischt worden sein, man holte ihn aus einem Container heraus. Seine Familie wollte ebenfalls flüchten. So wird es im Fernsehfunk erzählt, betont G.. Sie kann sich das auch nicht vorstellen, weil in letzter Zeit mehrere Filme mit Schulze gespielt wurden. Vor drei oder vier Wochen soll er den Fluchtversuch gemacht haben.
Eva-Maria Hagen findet es idiotisch, nach dem Westen zu gehen, das sei auch kein Weg.
13.11 Uhr
F.d.R.d.A.: Röbisch

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HA XX/7, Gen. Lohr

Informationsbericht vom 7. Februar 1974

0494

Eva-Maria Hagen meldet sich bei Wolf Biermann und erzählt, daß sie sich gestern abend den Defa-Film "Wolz, Leben und Verklärung eines deutschen Anarchisten" angesehen hat. Autor dieses Stückes ist Günther Rücker. Biermann entgegnet, eine Satire über einen Anarchisten möchte er lieber aus einem Lande sehen, in dem es eine kräftige bedeutende anarchistische Bewegung gegeben hat oder gibt, z. B. Spanien oder Italien. Und nicht in diesem Deutschland, das ja nicht einmal einen Anarchismus zustande gebracht hat.
Außerdem ist nach Biermanns Auffassung der Anarchismus eine respektable, ehrwürdige und heroische Dimension der sozialistischen Arbeiterbewegung. Biermann vermutet, in dem Film wird der Anarchist von einem Komiker dargestellt. Eva-Maria verneint. Ein ausgezeichneter Schauspieler spielt diese Rolle. Nach ihrer Meinung ist das Filmthema ernst dargestellt worden. Sie rät, Biermann soll sich diesen Film unbedingt ansehen.
Biermann teilt ihr dann die Neuigkeit mit, daß er den Offenbach-Preis der Stadt Köln verliehen bekommt. Mit diesem Preis sind 20.000 Mark verbunden. Eva-Maria stellt fest, Biermann wird langsam reich. Er erwidert, daß er auf das Reichwerden scheißt. Den Preis erhält er für seine Lieder.

13.43 Uhr

Eva-Maria Hagen berichtet Celino Bleiweiß (Filmregisseur) , daß sie sich gestern den "Wolz-Film" angesehen hat. Den Schauspieler Regimantas Adomaitis findet sie ausgezeichnet. Leider findet sie es nicht so gut, sich über einen Anarchisten lustig zu machen, weil dieses Land noch keinen Anarchisten hatte (sie spricht mit Biermanns Worten). Bleiweiß stellt fest, daß Deutschland leider keine Anarchisten besaß. Weiter berichtet er, daß es große Schwierigkeiten gab, diesen Film herauszubringen. Ursprünglich sollte er bereits während der Weltfestspiele in die Filmtheater. Seitdem laufen Diskussionen über diesen Film. Nun ist er doch aufgeführt worden. In dem Film spürt man die Hand von Günther Rücker, der als Autor mit an der Inszenierung mitwirkte. Die gesamte Synchronisation leitete Rücker.

Eva-Maria erzählt, daß Matti Geschonneck (ihr Freund) beim DDR-Fernsehen an einem Filmprojekt mitwirken sollte, aber das Projekt kurzfristig gestrichen wurde.

Bleiweiß stellt fest, zur Zeit ist beim Fernsehen überhaupt der Teufel los. Dort tagt täglich eine Kommission von fünf Mann, sie sieht sich alles an, was ins Programm kommt. Mit ungeheuerer Strenge wird gekürzt und geschnitten. Es ist sogar letztens vorgekommen, daß man zwei Filme kürzen ließ, ohne die Regisseure zu benachrichtigen.

Eva-Maria interessiert, aus welcher Ecke der Trend kommt. Bleiweiß erklärt, daß der Klein wackelt. Es ist sozusagen eine Abwehrmaßnahme. Bleiweiß hörte sogar schon den Nachfolger von Klein, den Namen des Nachfolgers. Zu diesem Komitee gehören Schnitzler, Dr. Hans Seidowski. Gerhard Wieler, Dr. Glatzer. Es sind ganz schlimme alte Leute. Die sitzen nun zusammen, und sehen sich die Produktionen an. Vorgestern ließen diese Leute einen Film von Bleiweiß endgültig sterben. Es ist nicht der Film, über den sie sich einst unterhielten. In der vergangenen Woche hatte Bleiweiß eine fast glücklich Abnahme vom Komitee und von der Programmdirektion. Sie waren fast begeistert. Vorgestern war dann eine Informationsvorführung für die Kommission. Der Film ist kurz danach gleich in den Keller gegangen. Offiziell wurde noch nichts mitgeteilt. An die Produktion ging lediglich die sachliche Meldung: die Mischung wird abgesetzt. Hinter vorgehaltener Hand hörte Bleiweiß, daß es gegen seinen Film Argumente gibt, und er wurde in den Keller gebracht.

Bleiweiß erläutert, bei den kürzlich abgelehnten Filmen handelt es sich um drei poetische Filme (er nennt keine Titel). Es wurde angedeutet, solche Themen könnte man jetzt zum 25. Jahrestag nicht auf den Bildschirm bringen. Die Künstler irren sich, wenn sie glauben, sich hinter poetischen Geschichtchen verstecken zu können, um sich zu drücken, die sozialistische Wirklichkeit zu gestalten.

Wie Bleiweiß weiter erzählt, soll die Vati-Serie mit Erik S. Klein den Nationalpreis erhalten. Darüber ist Eva-Maria empört. Sie meint, sie sind Schläge gewöhnt. Beispielsweise ist ihr Film, in dem sie Lieder und Chansons singt bisher nicht gesendet worden. Eva-Maria wird sich demnächst bei Bleiweiß melden, um ihn und seine Gattin, Monika Woytowicz, einzuladen. 15.49 Uhr ............ F.d.R.d.A.: Röbisch

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Lin Jaldati                                                                               1251 Ziegenhals, den 23. Mai 1974        

Fernsehen der DDR Zuschauerpost

1199 Berlin-Adlershof – Rudower Chaussee

Die Sendung „Aus dem Liederbuch der Eva-Maria Hagen“ gestern abend im 2. Programm war für mich ein Hochgenuß. Eva-Maria Hagen ist ehrlich in der Aussage. Man glaubt ihr, was sie bringt. Sie ist verwandlungsfähig, bringt ihre Lieder ohne aufgesetzte Mätzchen, musikalisch, mit schöner Stimme, charmant, mit viel Witz, aber auch echter Poesie, originell, in völliger Einheit von Ausdruck, Mimik, Körperbewegung und Stimme. Ein großes Talent, das viel mehr gefördert werden sollte. Ihr Liederbuch hat bestimmt noch viele andere Seiten. So wünschte ich mir von ihr einmal Eisler-Lieder zu hören, dann aber bitte im 1. Programm!

Herzlichst –  gez. Lin Jaldati

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HA XX/7,
Gen. Lohr G

Berlin, 10. September 1974
26/8/A/19/66// 1S16 /Rö.

Vertrauliche Dienstsache

Informationsbericht vom 10. September 1974

4162

Wera und Familie sind wieder aus dem Urlaub, den sie in Binz/Rügen verbrachten, zurückgekehrt. Wera M. möchte wissen, ob Eva-Maria etwas von M a t t i G..... hörte. Wie Eva erläutert, haben sie des öfteren miteinander telefonisch gesprochen. Er ist sehr traurig, sie glaubt, es geht alles gut. Eva sprach mit Mischka (Moskau) wegen einer Einladung. Es wird jedoch sehr lange dauern. Matti wird voraussichtlich im Oktober nach Berlin kommen. Mischka ist zur Zeit mit ihrem Mann zur Kur .... Matti ist im Besitz von Mischkas Wohnungsschlüssel. Eva-Maria und Matti haben verabredet, daß sich Matti am Freitag in Mischkas Wohnung in Moskau aufhält, damit sie ihn dort anrufen kann. Wera möchte erfahren, wie es Wolf geht. Ihm geht es gut, sie sehen sich öfter.

21.03 Uhr

F.d.R.d.A.: Röbisch

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HA XX/7,
Gen. Lohr

Berlin, 10. Oktober 1974
26/8/A/19/66/1520 /Rö.

Vertrauliche Dienstsache

Informationsbericht vom 8. Oktober 1974

0429

Gerhard Scheumann erhielt einen Brief von Matti Geschonneck, daß er Mitte des Monats nach Berlin kommt.

Eva-Maria bestätigt das. Sie weiß genau, welche Stunde er eintrifft.

Leider wird Scheumann nicht mit Matti zusammentreffen können, weil er in den nächsten Stunden bis 4. November zur Kur nach Liebenstein fahren wird. Scheumann wollte Matti noch einige Rubel geben, weiß nun aber nicht, wie er es machen soll.

Eva-Maria bemerkt, daß sie von Matti jeden Tag Post erhält.

Dafür hält er seine Familie relativ kurz, stellt Scheumann fest. Seine Mutter ist natürlich darüber nicht gerade erfreut. Sie hat den Eindruck, Matti ist in letzter Zeit stark entfremdet.
Am 19. Oktober hat Eva-Maria Hagen Geburtstag. Anläßlich dieses Tages wird sie Mattis Mutter einladen. Sie würde natürlich auch Gerhard Scheumann einladen, aber er ist ja nicht in Berlin.

Matti wird 13 Tage in Berlin bleiben. Sonst kommt er beim Studium in Moskau gut zurecht, er hat gute Noten erhalten.

Scheumann läßt sich Eva-Marias Anschrift geben, weil er für Matti einen Rubel-Scheck schicken will, den er in Moskau einlösen kann.

12. 15 Uhr

F.d.R.d.H.: Röbisch

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HA XX/7,                            Berllin, 7. November 1974
Gen. Lohr                            26/8/A/19/66/1526 /Rö.

Vertrauliche Dienstsache

Informationsbericht vom 7. November 1974
 
5929
In einem Gespräch zwischen Eva-Maria Hagen und Wolf Biermann erläutert Biermann, daß es ihm im Moment gut geht.
Heute früh sind bei ihm die Telefonleute erschienen und schlossen einen neuen Telefonapparat an. Ferner erhielt er eine neue Rufnummer, sie lautet: 42 182 16. Es handelt sich um einen Zweieranschluß. Eva-Maria Hagen bedauert jetzt schon den zweiten Inhaber, da Biermann oft lange Gespräche führt.
Eva-Maria Hagen wird demnächst in einem dreiteiligen Fernsehfilm über das Malerehepaar Hans und Lea Grundig eine Rolle spielen. Biermann schätzt Hans Grundig als einen hervorragenden Maler. Dagegen bezeichnet er Lea Grundig als ....., als einen altgewordenen Pionier. F.d.R.d.A.: Röbisch

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Anhang : TEXT von Wolf Biermann - 11/1974

GEGEN DIE SPITZELANGST

In allen Ländern, Pipel, in allen, das

Wissen wir ja: Die Politische Polizei!

Noch die unwirtlichste Menschenlandschaft

Noch die Oasen der Freundschaft

Verwüstet sie: die Politische Polizei.

Aber auch in unserem Land, und das war uns neu:

Ach, vollends verödet die Öde durch Furcht, durch

Unsere Furcht vor dieser Verwüstung:

Genossen, die einander brauchten, nun

Belauert einer den andern. Dein bester

Kumpel, womöglich ist  e r , wer sonst: Das schwarze Schwein.

Mein nahester Freund hat alle Handhaben gegen mich in der feuchten Hand: Eine

Hand schmiert die andere mit Angstschweiß.

Begründeter Argwohn heckt abgrundlosen

Argwohn. Das Gift, langsam, aber sicher

sickert durch Auge und Ohr die lähmende

Einsamkeit unter jegliche Hirnschale.

Das Kleingeld der Angst. Hörst du

Die Registrierkassen rasseln? Die verrosteten

Die geölten Gehirnkästen registrieren nun

Jedes verdächtige Wort, ach, jedes Wort ist schon

Verdächtig! auch jenes, das nicht fiel, es

Spricht für sich! Im Fluß seiner Rede dieses

Stocken! sagt alles. Vermerkt wird auch

Der unstete Blick des Gastes, als das

Wohlabgewogene Reizwort Raum stand.

Der Suchende, in das offene Messer, genau

Wie erwartet, ist er hineingestolpert.

Und Wort und Widerwort lauern einander auf.

Eine Falle! ist die harmloseste Frage, und

Die harmlose Antwort, sie entlarvt. Mitten auch

In der Umarmung, die Liebenden: es wuchert

Furcht vor der, die ihnen blüht; der Erschöpfung:

Im Schlaf, was werde ich da murmeln? Ach, und

Das Adressbuch! mein Bettgenosse, wird er?

Die Namen meiner Genossen mir herausfingern?

Die verdächtigten Verdächtiger. Angsttrunken

Torkeln die einstmals Vertrauten nun

Durch Straßen, die das Mißtrauen leerfegte.

Der mir da entgenschwankt, ist der

Ein Nüchterner, der sich betrunken stellt, oder

Stellt da ein Betrunkener sich nur nüchtern?

So irren die Füsse sich seitwärts, so

Schwanken wir zwischen Furcht und Furcht, und

Die Augen schwirren ab von den Leuten, so

Vereinzelt sich jeder Einzelne, so ziehn wir

In Massen dahin, von wo wir ja aufgebrochen waren:

In die große Idylle aus Zittern und Haß. Gutgläubigkeit

Haben wir vertauscht gegen Argwohn. Von der Traufe

Sind wir in den Ascheregen gekommen, ach, jener Feuer

Die unsere Feinde wärmten, uns aber, mein Freund,

Verzehrten in all diesen dämmrigen Kälten.

In unserem Land, ja ja, das wußten wir schon:

Allmächtig ist die Macht der Politischen Polizei.

Aber neu ist uns das: Die Macht ist nur so allmächtig

Wie unsere Furcht. Voreinander.

 

       

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